Der CH24 Y-Stuhl ist der wohl bekannteste Entwurf von Hans J. Wegner und vielen vielleicht eher als Y Chair oder Wishbone Chair bekannt. Der 1949 entworfene Stuhl wird seit je her von dem dänischen Hersteller Carl Hansen & Søn gefertigt und vertrieben und gehört heute mehr denn je zu den absoluten Bestsellern des Unternehmens.
Hans Wegner, Holger Hansen und der CH24
Wir schreiben das Jahr 1947, als Holger Hansen, Sohn des Möbeltischlers Carl Hansen, Hans Wegner auf einer Ausstellung der dänischen Tischler-Innung trifft. Wegner ist damals ein noch recht junger Designer, dessen Entwürfe als radikal neu gesehen werden. Bereits einige Jahre zuvor, im Jahr 1944, begann Wegner mit dem Entwurf einer Stuhlserie, die auf Porträts dänischer Kaufleute basiert, die in Stühlen der Ming-Dynastie sitzen. Der Wishbone war der letzte dieser Serie und wurde 1949 entworfen.
Im Jahr 1950 begann Wegner seine Partnerschaft mit dem Hersteller Carl Hansen & Søn, um diesen Stuhl zu produzieren, der seither kontinuierlich nach den gleichen Designstandards hergestellt wird. Holger Hansen und sein Familienunternehmen wagten sich an eine Zusammenarbeit mit dem heute legendären Designer und brachten noch im selben Jahr seine ersten fünf Stuhlentwürfe für Carl Hansen & Søn auf den Markt.
Einer unter diesen fünf stach besonders hervor: Der CH24. Das auch als Y-Chair und Wishbone Chair bekannte Sitzmöbel war angedacht, um in den Wettbewerb mit einer anderen Bugholz-Ikone zu treten: Thonets Kaffeehausstuhl. Recht bald fand der CH24 von Hans Wegner seine Fans. Grund dafür ist sicher auch seine besonders simple Silhouette aus Hartholz, die auf alles Unnötige verzichtet, und die Sitzfläche aus Papier. Diese Papierkordel ist übrigens eine schwedische Erfindung aus der Zeit des Krieges, als Sisal sehr knapp war.
Während Designenthusiasten den neuen Stuhl feierten, war Otto Normalverbraucher noch nicht gleich in Kauflaune. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass der Stuhl nicht so recht in die klassische Einrichtung der 1950er Jahre passte. Damals muss der leichte und helle Stuhl wie ein Eindringling zwischen schweren Mahagonimöbeln gewirkt haben.
Die Herstellung des Wishbone Chair
Wegners Stil ist bekannt dafür, traditionelle Elemente so weit zu pushen, dass sie sich stark verformen. Die runden Rückenlehnen, die bei vielen seiner Stühle vorhanden ist und die auch beim CH24 Stuhl ganz typisch ist, ist das beste Beispiel dafür. Beim Material konzentrierte sich der legendäre dänische Designer auf Holz, Flechtwerk, Papierkordel und zum Teil Polsterung – ganz im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen Verner Panton, Poul Kjærholm und Arne Jacobsen. Ein Wegner Stuhl hat einen hohen wiedererkennungswert, insbesondere deshalb, weil er seine eigenen Entwürfe immer wieder zu neuen Design weiterverarbeitete. Der CH24 ist das Ergebnis einer Entwicklung von „Chinese Chairs“ des Designers, der sich im Vergleich sichtbar auf die Ursprünge der Designidee bezieht.
Für Wegner war ein Stuhl erst fertig, wenn jemand in ihm sitzt. Darum legte er ein besonderes Augenmerk auf Komfort. Das ist ein Kriterium, das den Designklassiker CH24 bis heute auszeichnet. Das Design ist bis heute unverändert und wird seit mehr als 70 Jahren durchgängig produziert. In den 1990er Jahren wurde die Sitzhöhe um 2 Zentimeter verändert, um auf die zunehmende Körperlänge der Kunden zu reagieren. Für den asiatischen Markt wird er aber auch nach den Originalmaßen produziert.
Produziert wird der skandinavische Designklassiker heute in einer modernen Produktionsstätte in Aarup, wo sämtliche aus massivem Holz bestehenden Teile des CH24 von Hand geschliffen und zusammengesetzt werden. Der CH24 besteht aus 14 Bauteilen, die in 100 Einzelschritten gedreht, gefeilt, geformt werden und nach drei Wochen „Vorbereitungszeit“ zu einem Stuhl zusammengesetzt werden. Für die Sitzfläche werden ca. 120 Meter Papierkordel in Handarbeit zu der geometrischen Fläche verwoben. Und wer glaubt, Papier wäre ein schwaches, schnell reißendes Material, der irrt gewaltig, denn die Sitzfläche hat eine ungefähre Lebenserwartung von 50 Jahren. Und dann lässt sich die Bespannung auch wieder erneuern. Das Handwerk wird bei Carl Hansen & Søn schließlich mehr als 70 Jahre nach erstmaligem Erscheinen des CH24 noch immer gepflegt.
Der Y Chair: Ein Meisterwerk der Handwerkskunst
Der CH24 Stuhl ist eine Ikone herausragender Handwerkskunst. Liebe zum Detail und Konstruktion, großzügige Proportionen, Komfort und taktile Materialien zeichnen diesen Stuhl aus und prägen bis heute unser Verständnis dessen, was gemeinhin als skandinavisches Design verstanden wird. Ein Produkt, bei dem der Mensch als Nutzer im Mittelpunkt steht, gut gemacht und von einer unübersehbaren Bescheidenheit. Wegners CH24 verbindet asiatisches Design mit den Idealen der Moderne zu einem absolut zeitlosen Möbel, dass heute quasi zur Standardausrüstung eines Designaffinen Zuhauses gehört.
Heute ist der CH 24 der Bestseller des traditionellen Familienunternehmens Carl Hansen & Sons. Seit 1950 wird das Möbel durchgängig und vom immer gleichen Hersteller gefertigt – eine absolute Ausnahme im Möbeldesign. Die Jubiläen des CH24 feiert man bei Carl Hansen regelmäßig mit neuen Sondereditionen, viele davon in der Laufzeit limitiert.
Ganz klassisch und noch immer sehr beliebt sind die Stühle aus Buche und Eiche, sowohl geölt als auch geseift. In dieser fast schon ursprünglichen Form zeigt sich die Schönheit und Schlichtheit des Sitzmöbels vielleicht am deutlichsten. Aber auch vor Farbe schreckt man bei dieser Stuhlikone nicht zurück. In 2022 erst brachte man 10 neue Farben für den Stuhl heraus. Diesmal nicht als limitierte Sonderedition, sondern als Ergänzung der bestehenden Farbpalette.
Update: Dieser Text erschien erstmals am 6.8.2016 und wurde aktualisiert.
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