Typecasting im La Pelota
Während des Salone del Mobile, wo sich alles mehr oder weniger um Neuheiten und innovative Designs dreht, braucht es schon ein wenig Chuzpe, als Marke einen großangelegten Rückblick zu zeigen. Genau das hat Vitra in Mailand getan. “Typecasting: An Assembley of Iconic, Forgotten and New Vitra Characters” nannte sich die Werkschau in La Pelota, zu der die Schweizer einluden. In einer zur Ausstellungsfläche umfunktionierten alten Sporthalle im Herzen von Brera kuratierte der Pariser Designer Robert Stadler die Schau, die Vitra gestern, heute und in der Zukunft zeigte. Unter den Exponaten finden sich historische Stücke aus dem umfangreichen Depot des Firmenchefs Rolf Fehlbaum, zeitgenössische Designs, Studien und auch kommerzielle Flops.
Panorama Modus fürs Design
Wie in einem gigantischen Panorama wurden die 200 Objekte bei Typecasting auf überraschende Art gezeigt: humorvoll, expressiv und mindestens genauso auf Funktion fokussiert wie auf Form. Der Aufbau als Panoramafläche unterstützte gleichzeig die Idee, das Ganze nicht chronologisch zu zeigen, sondern sortiert die Objekte in neun Zonen: Communals, Compulsive organizers, Slashers, Dreamers, Beauty Constants, Dating Site Encounters, Spartans, Restless und Athletes. Die Objekte in den Themenbereichen teilen ästhetische Ideen wie auch konzeptuelle, sind aber trotzdem eher lose gruppiert. Typecasting verdeutlichte dem Besucher auch, wie vielfältig die Produktwelt Vitras tatsächlich ist und welche Entwicklungen im Möbeldesign der Hersteller mit seinen Klassikern und jungen Entwürfen bereits mitgemacht hat.
Ein Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Ausstellungskurator Robert Stadler versteht die Auswahl der Möbel und Objekte bei Typecasting als Kommentar zur Lebensweise im Zeitalter der Digitalisierung. Die Selbstdarstellung in den Sozialen Medien hat ganz klar auch Auswirkungen auf die ganz private Selektion der Möblierung im Zuhause. „Objekte hatten immer auch eine repräsentative Rolle, aber vielleicht zeigt sich das heute noch deutlicher“, so Stadler.
Eine Idee der Installation war es außerdem, die Besucher zum Nachdenken über ikonische Möbelstücke, ihre Funktion und Kategorisierung anzuregen – immer auch mit einem humorvollen Augenzwinkern. Da wundert es nicht, dass der Eames Plastic Chair in drei von neun Zonen anzutreffen ist und eigentlich in jeder der Kategorien zu finden sein könnte.
Typecasting versucht zu zeigen, wie soziale Veränderungen das Design konventioneller Möbeltypen verändert hat. Man könnte meinen, Ideen wie Coworking und Cohabiting wären neuere Konzepte. Tatsächlich aber gibt es die Bewegung schon seit den 1930er Jahren. Auch das zeigte die Typecasting Installation in Mailand anhand der Objektauswahl. Die größte Sektion auf der Fläche galt deshalb dem Thema Communals – Gemeinsame Wohnräume sind der Fokus einer Serie von sechs „Communal Sofas“. Die stammten von den Bouroullec Brüdern, Konstantin Grcic, Barber & Osgerby, Commonplace Studio und Stadler selbst.
Blick von Oben und aufs Detail
Am eindrucksvollsten wirkte die Ausstellung von der Besucherplattform, die einen umfassenden Blick auf die gesamte Ausstellungsfläche erlaubte. Der rundlaufende Pfad ließ detaillierte Blicke auf die einzelnen Exponate zu – immer unter den strengen Augen des Sicherheitspersonals, die jede ausgestreckte Besucherhand schnell wieder in die Schranken verwiesen. Die guten Stücke sollen ja schließlich gut erhalten bleiben, damit sich noch lange Designfans genauso daran erfreuen können, wie wir. Ein rundum gelungener Auftritt!
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