Midgard: Mythologischer Name für eine geniale Erfindung
Die besten Geschichten schreibt das Leben. Es kommen drin vor: Höhen und Tiefen, geniale Momente, Abschnitte voll Ungewissheit, noch mehr Drama und am Ende hoffentlich ein Happy End. All das liefert die Geschichte der Midgard Leuchten. Noch nie gehört? Dann wird es aber Zeit.
Wie das Bauhaus auch feiert Midgard in diesem Jahr 100. Geburtstag. Zufall? Nicht unbedingt, denn die Geschichte des Leuchtenherstellers hängt eng mit der Kunstschule zusammen. Der Ingenieur Curt Fischer übernahm 1919 das Thüringer Industriewerk Auma, ursprünglich ein Unternehmen, das Maschinen für die Produktion von Industrieporzellan für die sich im Umkreis befindlichen Porzellanwerke herstellte. Um seinen Arbeitern das Arbeiten bei Dunkelheit zu erleichtern, entwickelte der Tüftler Fischer eine Lenklampe mit verstellbarem Wandarm. Die bis dahin in Fabriken übliche, von der Decke pendelnde Allgemeinbeleuchtung stellte nicht selten den Arbeiter in den Schatten, auch sein Werkstück blieb im Dunkeln.
Fischers Leuchte aber war anders. Mit einer Hand konnte man das Licht zu sich heranziehen. Der Kopf der Leuchte ließ sich drehen und wenden, um den Lichtkegel im gewünschten Winkel auf den Arbeitsplatz oder das zu fertigende Teil zu richten. Wurde der Scherenarm losgelassen, schnappte er nicht zurück, sondern blieb dort, wo man ihn brauchte. Noch im gleichen Jahr patentierte Curt Fischer seinen justierbaren Leuchtenarm. Das Patent markiert die Geburtsstunde der verstellbaren Leuchte. Es folgten weitere Entwürfe, die Fischer ab 1920 in Auma unter dem Namen Midgard produzierte.
Und Gropius sprach: es werde Licht
Ungefähr zur selben Zeit, als Curt Fischer im thüringischen Auma seine geniale Leuchte ersann, rief Walter Gropius im weniger als 100 Kilometer entfernten Weimar die Bauhausbewegung in Leben. In den Anfangsjahren der Hochschule entwickelten die Studierenden zwar der Beleuchtung dienende Objekte, doch handelte es sich dabei ausschließlich um Kerzenhalter. Seit Beginn der 1920er Jahre eroberte zugleich das elektrische Licht die Haushalte. Also setzte der Bauhausdirektor Walter Gropius die aus der Industrie stammenden Midgard Leuchten als Arbeitsleuchten in den Metallwerkstätten und seinem eigenen Zuhause ein. Die als Archetyp der Bauhaus Leuchten geltende WG 25 von Wilhelm Wagenfeld und die für Kaiser entworfene „idell“ Leuchte entstanden erst später, als das Bauhaus bereits nach Dessau gewechselt hatte. In den von Bauhausarchitekten entworfenen Gebäuden tauchten die Leuchten immer wieder auf, so zum Beispiel in der Bundeschule des ADGB (Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund) in Bernau bei Berlin. Dort beleuchtet Midgard Leuchten die Leseplätze in der Bibliothek.
Stürmische Zeiten für Midgard Leuchten
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod des Ingenieurs, Fabrikanten und Leuchtendesigners Curt Fisches übernahm 1956 dessen Sohn das Unternehmen. Auch unter Wolfgang Fischer erfreuten sich die Midgard Leuchten nach wie vor großer Beliebtheit, weil Midgard inzwischen ebenfalls Leuchten für den Wohnbereich produzierte. Die funktionalen und präzise gefertigten Lichtobjekte bestachen neben ihrer Funktionsweise besonders durch die hohe Qualität. Mit der Enteignung der Firma und der Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb der DDR nahm das Drama seinen Lauf. Als Folge der Mangelwirtschaft im Osten litt die Materialqualität erheblich und von Curt Fischers genialen Entwürfen blieb nicht viel übrig. Es wurde an allen Ecken und Enden gespart, auch am Material. Beispielsweise wich das tatsächlich wartungsfreie Zwei-Schrauben-Gelenk einem einfach verarbeiteten mit nur einer Schraube. Entsprechend häufig musste diese nachgezogen werden. Und so fielen die Midgard Leuchten quasi in einen Dornröschenschlaf.
Neuanfang in 3,2,1… und nochmal
Nach der Wende wurde das Unternehmen reprivatisiert und gelangte wieder in die Hände der Familie Fischer. Die Marke Midgard erwachte zu neuem Leben und in Sachen Qualität orientierte man sich wieder an den Hochzeiten der Midgard Leuchten. Vor einigen Jahren dann beginnt das nächste Kapitel in der Geschichte von Midgard. Joke Rasch und David Einsiedel übernehmen 2015 die Marke, das umfassende Archiv und die noch vorhandenen Werkzeuge. Seitdem werden einige der genialen Leuchtenentwürfe von Midgard wieder produziert. Diesmal in Hamburg. In Handarbeit. In Serie, unter Anwendung alter Originalwerkzeuge und ursprünglicher Techniken aus Gründertagen. 100% Made in Germany. Auch nach 100 Jahren.
Die historische Bedeutung der Midgard Leuchten kann gar nicht oft genug hervorgehoben werden. Sie zeichnen sich nicht nur durch Funktionalität, handwerkliches Können auf höchstem Niveau und ausgetüftelte Konzeption aus, sondern auch durch ihre Vorreiterrolle. Midgard Leuchten waren die ersten justierbaren Leuchten. Und sie sind der Archetyp der Schreibtischleuchten, der Federzugleuchten, der Arbeitsleuchten. Mancher würde Curt Fischer und seine Midgard Leuchten Trailblazer nennen – Wegbereiter für die moderne Arbeitsleuchte. Und das wäre nicht einmal übertrieben.
100 Jahre Industriecharme & Funktionalität
Die Leuchte mit Industriecharme sind strapazierfähig und hochflexibel und beleuchten verlässlich Arbeit und Leben. Ihre Genialität liegt auch in den durablen und wartungsfreien Druckgussgelenken und den gedrückten Leuchtschirmen aus Aluminium. Seit 2017 werden die Maschinenleuchten der Manufaktur als frei konfigurierbares System, die Pendelleuchte und die federzugleuchte unter Verwendung der Originalwerkzeuge wieder gefertigt. Im Laufe des Jubiläumsjahres geht außerdem die Bauhaus Leuchte TYP 113 wieder in Produktion. Mit Feingefühl und Sinn für Tradition, Qualität und ein bahnbrechendes Konzept feiert Midgard die hochflexiblen Leuchten. Wir sind uns sicher: Auch in 100 Jahren werden die Midgard Leuchten hochaktuell und heiß begehrt sein. Ein gutes Produkt kommt eben niemals aus der Mode. Die bewegte Firmengeschichte setzt dem Mythos der Leuchten da noch die Krone auf.
Bild- & Videoquelle: Midgard Licht GmbH
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