In diesem Jahr feiert ein echter Designklassiker Jubiläum. 75 Jahre String – das sind 75 Jahre mit einem leichten, modernen und modularen Regalsystem, das viele Nachahmer fand und doch in seiner Originalität einzigartig ist. Wir blicken zurück auf die letzten 75 Jahre String, seine Entwerfer und die Rettung vor dem Vergessen.
75 Jahre String – ein geniales Regalsystem feiert Geburtstag
Wenn der schwedische Buchverlag Bonnier 1949 keinen kongenialen Plan ausgeheckt hätte, um seine Kunden dazu zu bringen, mehr Bücher zu kaufen, dann würde dem skandinavischen Design sehr wahrscheinlich eine Ikone fehlen. Der Verlag profitiert vom Leseboom der Nachkriegszeit, indem er einen Buchclub ins Leben ruft und monatlich neue Titel verschickt. Es entsteht ein Problem: Vermögende Leute können sich Regale bauen lassen, aber um den Absatz zu fördern, brauchen sie ein erschwingliches Bücherregal für die Normalbürger. Das könnte man den Lesern doch auch gleich verkaufen und damit den Buchkonsum noch weiter anheizen.
Also rief man einen Wettbewerb aus. Gesucht wurde eine neue Art von Bücherregal, das erschwinglich, an der Wand zu montieren und erweiterbar sein und mindestens zwei Meter Bücher fassen sollte. Aus den 192 Einreihungen von verschiedensten Architekten stach ein Entwurf hervor: leicht, luftig, erschwinglich, unendlich flexibel und durch die flache Verpackung ideal für den Versand. Das String Regalsystem, eines der einflussreichsten Möbeldesigns des 20. Jahrhunderts, ist geboren.
Zunächst firmierte das Regalsystem, das Nils „Nisse“ und Karin „Kajsa“ Strinning entworfen hatten, unter dem Namen BFB Regal. Das stand für Bonnier Folkbibliotek, was nichts anderes war als der Name des Verlagshauses. Der Name änderte sich nach einiger Zeit, das Konstruktionsprinzip aber ist nach wie vor gleich: Es besteht aus drei einfachen Elementen – dem Regal, dem Wandpaneel und dem Metallbeschlag – und kann in einer unendlichen Anzahl von Konfigurationen kombiniert werden, während es von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Das machte die Idee schon damals so besonders.
Ohne Nisse und Kajsa kein String
Das legendäre String Regalsystem ist in den vergangenen Jahrzehnten zum skandinavischen Klassiker avanciert. Ohne Nisse und Kajsa Strinning aber gäbe es da heute eine große Leerstelle. Der Wettbewerb von Bonnier kam für das gestalterische Ehepaar gerade zur richtigen Zeit. Nisse Strinning befand sich gerade am Beginn seiner Karriere. Obwohl er ausgebildeter Architekt war, interessierte er sich eigentlich mehr für die Gestaltung kleinerer Alltagsgegenstände, die eine große Wirkung auf das Leben der Menschen haben konnten.
Als Kind hatte er sein eigenes Bücherregal entworfen und gebaut. Als Erwachsener verfügte er über das nötige theoretische Wissen und die praktische Erfahrung, um dieses Bücherregal nachzubauen. Kajsa – ebenfalls Architektin – hatte im Gegensatz zu ihrem Mann das künstlerische Talent, Nisses rohe Industriedesigns zu verfeinern, und die Geduld, die detaillierten technischen Zeichnungen zu erstellen, die für den Bau seines Bücherregals erforderlich waren. Gemeinsam bildeten sie ein erfolgreiches Team.
Der Entwurf, mit dem die beiden den Designwettbewerb gewannen, mit blauen Wandleitern und Kiefernregalböden, setzte sich gegen Einsendungen aus ganz Europa, den USA und sogar aus Australien durch. Die kommerzielle Produktion begann bald darauf, mit nur einer kleinen Änderung. Die Abmessungen wurden angepasst, um sicherzustellen, dass die Wandleitern und die Regalböden in derselben Schachtel verpackt und verkauft werden konnten. Die Abmessungen des Regals und der Wandleitern waren 78 cm breit, 75 cm hoch und 20 cm tief – genau so wie heute. Schnell wuchs die Bekanntheit des Regals in ganz Schweden und in weniger als einem Jahr waren über 40.000 Systeme verkauft worden.
Erfolgswelle und Kopisten
Es dauerte nicht lange und aus dem schwedischen Regalwunder wurde ein internationaler Erfolg. Die Beliebtheit weitete sich auf das übrige Europa, die Vereinigten Staaten und Südamerika aus. String Regale wurden in den Büros des UN-Hauptquartiers in New York verwendet, und 1954 wurde String auf der Mailänder Triennale mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Die Modularität erwies sich als die Meisterleistung von String: Obwohl sie im häuslichen Bereich verwurzelt ist, konnte sie nahezu unbegrenzt konfiguriert werden, was Architekten dazu veranlasste, vermehrt Aufträge für Büros und Bibliotheken zu vergeben.
Das Regal wurde zunächst mit kunststoffbeschichteten Eisenleitern und Regalböden aus unbehandeltem Kiefernholz hergestellt. Nisse Strinning persönlich bevorzugte Böden aus dunklem Holz wie Mahagoni und Nussbaum mit kontrastierenden Leitern in Weiß, um den Eindruck von schwebenden Regalen zu erwecken. Schon bald wurden die edlen Hölzer durch Furniere aus Teak und Ulme ersetzt. In den 1960er Jahren kamen auch Palisander und weiß lackiertes Holz hinzu.
Um der Nachfrage gerecht zu werden, wurde 1952 die String Design AB gegründet, und in den folgenden Jahren wurde die String-Serie um neue Elemente aus beschichtetem Eisen wie Tische, Lampen und Garderobenständer sowie um neue Oberflächen erweitert. Im selben Jahr wurde eine freistehende Version auf den Markt gebracht, die Strinning jedoch angeblich nicht gefiel, sowie String Plex mit Leitern aus transparentem Acryl. In den 1960er Jahren kamen weitere modulare Wandregalsysteme hinzu, die jedoch nicht an den Erfolg der ursprünglichen String Serien heranreichen konnten. In den 1960er Jahren dominierte String den europäischen Regalmarkt und war das meistverkaufte skandinavische Möbel in Deutschland.
Mit dem Erfolg kommen die Kopien. Wie viele andere Entwürfe aus den 1950er Jahren war auch String weder patent- noch urheberrechtlich geschützt. In der Folge wurden zahlreiche Nachahmerprodukte auf den Markt gebracht. Das kann man ärgerlich finden, oder als Kompliment ansehen. Denn offensichtlich sind Idee und Entwurf so gut, dass sie zum Nachmachen anregen. Seit 1961 aber ist das String System rechtlich geschützt, dreistes Kopieren wird seitdem geahndet.
In der Natur des Hypes liegt es, dass der irgendwann einmal wieder abflaut. Zu Beginn der 1970er Jahre ließ dann auch die Begeisterung für String nach. Der Modernismus wich der Postmoderne. Schlichtheit, gerade Linien und offene Räume wichen runderen Formen, leuchtenden Farben und niedrigeren Preisen. Die Verbraucher fühlten sich zu modernen Wegwerfprodukten hingezogen, die weit entfernt waren von dem langlebigen String-System, das von Generation zu Generation weitergegeben und für jeden Raum im Haus verwendet werden konnte. Die Verkaufszahlen gingen zurück und die Regale, die einst das Wohnzimmer “modernisiert” hatten, wurden in die Kinderzimmer oder in den Keller verbannt.
Totgesagte leben länger
Modernismus und Funktionalismus aber sollten nicht zu lange aus den Wohnungen verbannt werden, bereits in den 1980er Jahren erlebte die Moderne ein erstes Comeback. Und plötzlich fragten Designliebhaber wieder nach dem Leiterregal von String. Den Designklassiker fand man damals vor allem bei Auktionshäusern und im Gebrauchtmöbelhandel. Die Produktion von String war 1974 eingestellt und der Hersteller für insolvent erklärt worden.
Das erfuhren Ulrika und Peter Erlandsson, Betreiber eines kleinen Designgeschäfts in Südschweden Ende 2004. Aus einer Laune heraus setzte sich Peter mit dem Konkursverwalter in Verbindung, um herauszufinden, ob und wann die Produktion wieder aufgenommen werden könnte. Er erkundigte sich, ob es möglich sei, die Rechte an der String-Produktion zu übernehmen. Der Verwalter verwies ihn an Nisse Strinning. Bevor er weitere Schritte unternahm, rief Peter seinen Partner Pär Josefsson an, und die beiden vereinbarten, diese Möglichkeit gemeinsam zu verfolgen.
Ein paar Wochen später besuchten Peter und Pär das Haus der Strinnings. Peter erinnert sich, dass das Haus schon von weitem zu sehen war, mit seinem Garten voller Kunstwerke. Nisse wohnte im Obergeschoss mit seinen Skizzen und Prototypen, während Kajsa im Erdgeschoss mit ihren Zeichnungen lebte. Aber an diesem Tag wartete das Paar gemeinsam in der Küche mit einem riesigen, frisch gebackenen Kuchen, auf dem das Wort S-T-R-I-N-G stand.
Wir feiern heute 75 Jahre String, weil Peter und Pär im Jahr 2004 die Rechte für die Herstellung, den Vertrieb und den weltweiten Verkauf von String erwarben. Alle vier gaben sich die Hand und ein ganz neues Kapitel von String Furniture begann. Im darauffolgenden Jahr wurde die neue Serie in einer zeitgemäßen, ganz in Weiß gehaltenen Version auf der H05 in Helsingborg vorgestellt. Die vertraute Form des String-Systems wirkte klassisch und modern zugleich. Die Kunststoffbeschichtung der Wandleitern neigte zum Abblättern, also nahm man während der Neuauflage den Herstellungsprozess unter die Lupe. Mit dem Ergebnis, dass die Stahldrahtleitern heute pulverbeschichtet sind. Das ist strapazierfähiger und langlebiger.
Das Erbe wird gepflegt
Heute besteht String aus einem ganzen System und kann in unendlich vielen Konfigurationen kombiniert werden. Obwohl das System von Generation zu Generation immer wieder neu erfunden wird, bleibt die Grundkonstruktion – das Regal, das Wandpaneel und die Metallbeschläge – identisch mit dem Original von 1949. Im Laufe der Zeit sind neue Farben, Materialien und Accessoires hinzugekommen. Einige davon sind Blaupausen aus den Archiven von Nisse, andere wurden von zeitgenössischen schwedischen Designern entworfen.
Das zweite Leben von String hat die nachhaltige, lokale Ausrichtung nur noch verstärkt. Die Herstellung erfolgt wie 1949 in Schweden, wobei die Wandleitern nur wenige Kilometer von der Produktion der Regalbretter entfernt gefertigt werden. Von hier aus wird alles verpackt und weltweit verschickt. Unter der schützenden Aufsicht von Erlandsson und Josefsson hat sich diese Design-Ikone aus dem Wohnzimmer und seiner ursprünglichen Gestalt als einfaches Bücherregal befreit und beansprucht nun zu Recht einen Platz in jedem Raum des Hauses. Obwohl Nisse 2006 und Kajsa 2017 verstorben sind, sind ihre Entwürfe immer noch sehr lebendig und aktuell. In diesem Jahr feiern wir 75 Jahre String und es gibt nach wie vor unzählige neue Kombinationen zu entdecken und zu konfigurieren.
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