Unsere Arbeitswelt durchläuft aktuell einen Wandel. Zwar arbeiten viele von uns nach wie vor primär am Schreibtisch, doch muss der nicht mehr zwingend im Büro stehen. Homeoffice, Co-Working-Space oder Garten sind reale Alternativen für immer mehr Beschäftigte. Was sich dabei aber nicht ändert: Die gesundheitlichen Folgen vorwiegend sitzender Tätigkeiten. Sitzen ist ungesund. Dass auch stehend arbeiten nicht besser ist, hat Dr. Eric Söhngen als Klinikarzt jahrelang selbst beobachten können. Und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass der Mensch Bewegung braucht – auch und erst recht bei der Arbeit. Wie er mit Walkolution diesen Wandel anstoßen will und warum er dabei auf Mechanik statt Motor setzt, darüber hat er mit uns gesprochen.
Walkolution-Gründer Dr. Eric Söhngen im Interview
DBS: Was ist Walkolution und wie sind Sie auf die Idee dazu gekommen?
Eric Söhngen: “Walkolution ist einfach und schnell erklärt: Endlich gesund und „im Flow“ arbeiten können. Man verbringt doch unglaublich viel Zeit vor dem Rechner. Das viele Sitzen macht uns krank und im Stehen zu arbeiten ist überhaupt nicht besser. Ich hatte die Idee einer Laufband Workstation schon als Medizinstudent. Da entstand der erste von mehr als 50 Prototypen. Es war genial – ich musste nicht mehr in der Bibliothek hocken, blieb trotz hohem Studienpensum superfit und hab dann auch schnell gemerkt, dass ich durch das Gehen beim Lernen auch viel schneller das Gelernte behalten konnte. Von da an hat mich das Konzept nicht mehr losgelassen. Ein Highlight war als mich ein Kommilitone während der härtesten Phase vor dem Staatsexamen gefragt hab, ob ich mit ihm den München Marathon mitlaufe. Spontan hab ich zugesagt und konnte in respektabler Zeit mitlaufen, völlig ohne jedes konventionelle Training.”
Es heißt: „Sitzen ist das neue Rauchen“, weshalb Stehtische am Arbeitsplatz als gesunde Lösung gelten. Sie sagen nun, dass Stehen nicht wirklich besser ist als Sitzen. Warum?
“Ich bin Facharzt für Innere Medizin und aus kardiologischer Sicht kann man von langem Stehen nur dringend abraten. Es gibt keine einzige Studie, die den Boom von Stehschreibtischen rechtfertigt. Das Blut versackt beim Stehen in den Beinen, man spricht vom venösen Bloodpooling, viele bekommen davon Schmerzen in den Beinen und das Risiko für Thrombosen und Krampfadern steigt. Auch für den Rücken ist es nicht gut. Viele beklagen vom Stehen Rückenschmerzen zu bekommen, was paradox ist, weil manche einen Stehschreibtisch „verschrieben“ bekommen, wenn sie einen Bandscheibenvorfall hatten.
Dazu kommt noch, dass der Kalorienverbrauch beim Stehen fast dem im Sitzen entspricht. Wer den ganzen Tag steht, anstatt zu sitzen verbraucht gerade einmal soviel Kalorien mehr, wie in 1,5 Äpfeln stecken. Es gab eine große Studie in Deutschland, die Stehschreibtischnutzer zu ihrem Verhalten und ihrer Zufriedenheit untersucht hat. 70% der anfänglichen Stehschreibtischbesitzer nutzt die Stehfunktion nicht mehr oder nur sehr unregelmäßig, vor allem aufgrund der oben beschriebenen Symptome. Der Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist auch nicht besser, weil ich von einer schlechten Position in die andere wechsele. Was einfach fehlt ist die Bewegung und es ist nicht genug alle 30 Minuten etwas umherzulaufen – ganz davon zu schweigen, dass das ohnehin niemand auf Dauer machen würde.”
“Vereinzelte sportliche Betätigung kann die lange Zeit im Sitzen nicht ausgleichen…”
– Eric Söhngen
Der durchschnittliche Mensch ist kein Marathonläufer, der in der Woche 250 Kilometer zu Fuß zurücklegt. Aber wieviel Bewegung braucht der Mensch etwa im Vergleich zum Sitzen und Stehen?
“Ja, das stimmt: 250km pro Woche waren nie die Norm. Aber durchaus wesentlich mehr als die heute viel beschworenen 10.000 Schritte pro Tag. Wenn wir uns Naturvölker ansehen, die noch traditionell als Jäger und Sammler leben, wie etwa die Hadza in Afrika, bei denen übrigens Herzerkrankungen de facto nicht existieren, sieht man dass etwa 15km pro Tag normal sind. Die meisten Menschen in modernen westlichen Staaten kommen im Schnitt auf weniger als 2,5km pro Tag. Wir sind evolutionär bedingt aber auf mehr oder wenig kontinuierliche Alltagsbewegung angewiesen um gesund zu bleiben. Blutfluss und Stoffwechsel geraten sonst völlig durcheinander, mit dramatischen Folgen für die Gesundheit, wie die Forschung der letzten 15 Jahre ja mittlerweile unbestreitbar zeigt.
Aber worum geht es eigentlich? Was ist so gefährlich am Vielsitzen? Häufig wird Sitzen vor allem noch mit Rückenschmerzen assoziiert. Die Realität ist aber, dass muskuloskelettale Beschwerden nur die Spitze des Eisbergs sind. Das Problem ist auf zellulärer Ebene: fast jedes Organsystem und die meisten chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herz- und selbst Krebserkrankungen stehen mit unserer sitzenden Lebensweise direkt in Zusammenhang. Vereinzelte sportliche Betätigung kann die lange Zeit im Sitzen nicht ausgleichen und senkt das Risiko nicht. Das bedeutet, dass derjenige der den Tag überwiegend sitzt und probiert das Sitzen mit Sport auszugleichen das gleiche Risiko.”
Während der Arbeit am Computer zu laufen, das erscheint im ersten Moment widersprüchlich. Wie bekommt man die Menschen dazu, sich auf dieses Konzept einzulassen?
“Eigentlich ist es nicht widersprüchlich, weil man ja auch beim Telefonieren fast automatisch umherläuft und viele Schauspieler ziehen es vor ihre Texte im Gehen zu lernen. Auch Walking Meetings werden immer beliebter. Alles aus dem gleichen Grund. Wenn der Körper sich bewegt, funktioniert auch das Denken besser. Das merkt jeder ziemlich schnell, der es ausprobiert. Dass wir uns nur im Sitzen gut konzentrieren können, ist ein Irrglaube. Gehen läuft zudem automatisch ab, es erfordert kein Multitasking. Beim Gehen kann man ohne Probleme tippen, eine Maus bedienen, lesen oder natürlich an einem Videocall teilnehmen. Der Oberkörper bleibt ja relativ stabil und nur die Beine bewegen sich. Ich höre von Kunden fast täglich, dass sie sich nie wieder vorstellen können zu ihrer alten Arbeitsweise zurück zu kehren.”
Welche Vorteile bietet Walkolution gegenüber ähnlichen, elektrischen Lösungen?
“Es gibt bereits elektrische Laufband-Schreibtische am Markt, ähnlich den Laufbändern die man aus dem Fitnessstudio kennt. Diese verursachen aber störende Geräusche, zwingen den Anwender in einem monotonen Tempo zu gehen, verbrauchen Strom und passen auch optisch nicht wirklich ins Büro oder Home-Office. Das wichtigste Merkmal von Walkolution ist, dass es ohne Motor auskommt. Das hat neben dem Vorteil der Geräuschlosigkeit, noch den entscheidenden Vorteil, dass man die Geschwindigkeit mit jedem Schritt intuitiv und unterbewusst an seine Arbeit anpassen kann. Man geht mal schneller, mal langsamer, mal steht man oder lehnt sich an an der Stehhilfe an und kann den Tisch zu sich heranziehen, da er auch in der Tiefe verstellbar ist. Auch die gibt es nur bei Walkolution.
Außerdem ist Mobilität wichtiger als je zuvor, im Home Office und auch beim agilen Projektarbeiten im Unternehmen. Daher ist Walkolution so gebaut, dass es so einfach verschoben werden kann, wie ein Bürostuhl und hat Rollen. Mit der geringen Breite passen die meisten Versionen auch durch eine Tür oder in einen Fahrstuhl. Das ermöglicht, dass ich mir spontan und flexibel meinen Arbeitsplatz wählen kann und habe immer alles dabei.”
Gibt es Ihrerseits Überlegungen, das Konzept jenseits des Arbeitsplatzes einzuführen? Denn das viele Sitzen beginnt ja bereits mit dem Eintritt in die Schule und begleitet die meisten Menschen weiter über die Universität bis zum 8-Stunden-Job am Schreibtisch.
“Ja, definitiv. Wir brauchen eine Bewegungsrevolution. Wir haben das in der Firmen-DNA und dafür steht Walkolution ja auch mit seinen Namen. Wir sollten mit bewegtem Arbeiten in der sehr früh anfangen. Nach der Schulzeit, in der wir das lange Stillsitzen als Normalität erlernen, stellen wir unseren sitzenden Lebensstil nicht mehr in Frage und nehmen es als unabänderlich wahr – dabei ist es höchst unnatürlich. Aktuell führt im Schnitt etwa jede zweite Woche eine Universität oder Unibibliothek Walkolution Arbeitsplätze ein, in Norwegen beginnt voraussichtlich nächstes Jahr eine Pilot-Studie mit 10 Schulklassen. Langsam „bewegt“ sich was.”
Designt und gefertigt in Deutschland – war das ein Prädikat, auf das Sie von Anfang an geachtet haben?
“Ja, aus zweierlei Gründen. Zum einen ist es mir persönlich sehr wichtig, dass die Ökobilanz wirklich stimmt. Ein Produkt, dass seinen Endkunden in Europa hat, muss meiner Meinung nach nicht mehrfach um die halbe Welt geschickt werden um noch den letzten Cent an Profit rauszuholen. Damit ruinieren wir die Umwelt und verlieren am Ende alle. Daher wurden und werden alle Walkolution Produkt in unserer eigenen Manufaktur in Deutschland hergestellt. Es ist natürlich teurer, vieles geschieht in Handarbeit, aber hier haben wir die volle Kontrolle über die Rohstoffe, die zum Einsatz kommen und können uns für die Qualität verbürgen.
Als Hauptbaustoff kommt Holz aus Deutschland zum Einsatz. Das hat die beste Ökobilanz und ist mittlerweile ein absoluter High-Tech-Rohstoff mit überlegenen Eigenschaften. Die absolut makellose Qualität und Langlebigkeit ist die unbedingte Voraussetzung für jedes Walkolution Produkt. Unsere Kunden sollen ihr Walkolution über Jahrzehnte täglich benutzen können – im Dauereinsatz und ohne dass eine Wartung notwendig wird. Das war von Anfang an unserer Anspruch und daran richten wir konsequent auch die Entwicklung von künftigen Produkten aus.”
Wie ist die Resonanz auf das mechanische Laufband? Wo und wie wird Walkolution bereits eingesetzt?
“Der Markt hat die Lösung sehr positiv angenommen. Mittlerweile gibt es begeisterte Nutzer in mehr als 40 Ländern auf fast allen Kontinenten. Das Home Office ist „here to stay“ und mit dem Wegfall von alten überkommenen Office Konventionen gibt Walkolution vielen Menschen endlich die Möglichkeit gesund arbeiten zu können – optimiert und in den eigenen vier Wänden. Neben dem Home Office, werden Hybrid Lösungen wohl eine große Rolle spielen.
Viele innovative Mittelständler und Konzerne, die, gerade jetzt nach Corona vermehrt in die Gesundheit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter investieren, setzen auf Walkolution. Dabei muss es sich nicht immer nur um klassische Computerarbeitsplätze handeln. Viele Unternehmen nutzen die Lösung auch für Besprechungen im Gehen oder stellen es für die spontane Nutzung als „Break Out Space“ oder in kreativen Arbeitsbereichen zur Verfügung. Neben den oben erwähnten Universitäten und Bibliotheken, stellen auch Hotels, Coworking Spaces und sogar einige Cafés ihren Gästen mittlerweile Walkolution zur Verfügung.”
Vielen Dank an Dr. Eric Söhngen für das spannende Gespräch!
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