Welchen Einfluss hat die Pandemie aufs Wohnen? Haben sich unsere Anforderungen an den Wohnraum wirklich im Lockdown verändert? Und wie wollen wir in Zukunft wohnen? Diese und weitere Fragen stellen sich gerade Stadtplaner_innen und Architekt_innen. Denn wenn wir eines in den letzten 18 Monaten zur Genüge getan haben, dann ist das, Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht. Mit der Kernfamilie, Partner_in, den WG-Mitbewohner_innen oder auch allein.
Durch das Virus hat sich für viele das Arbeitsleben spürbar verändert. Homeoffice ist nicht mehr nur eine Idee für ein paar wenige Erwerbstätige, sondern war während des Lockdowns die Realität. Die Arbeitswelt hat plötzlich in den eigenen vier Wänden stattgefunden. Zusätzlich zum Privatleben, der Kinderbetreuung und Freizeit. Alles unter einem Dach. So intensiv wie in der letzten Zeit nutzen wir unsere Vier Wände nur selten.
Passt der Wohnraum zum Leben?
Dabei hat sich bei den meisten Zuhause auch gezeigt, wie flexible und zum jeweiligen Leben passend unser Wohnraum eigentlich ist. Für die klassische Kleinfamilie mit 4-Zimmer-Wohnung, zwei Kindern und zwei berufstätigen Erwachsenen im Haushalt hat sich eventuell gezeigt, dass die Zimmeraufteilung in der Wohnung unter Homeoffice-Bedingungen nicht funktioniert. Alleinstehenden Menschen ist der eigene Wohnraum wiederum vielleicht zu groß geworden, die ungenutzten Zimmer verstärken das Gefühl von Einsamkeit. Das fiel im Alltag vorher mitunter kaum auf, weil es auch ein Leben außerhalb gab. Während der Pandemie aber sollen wir möglichst Zuhause bleiben. Haben sich dadurch unsere Bedürfnisse in der Wohnung geändert?
Wenn man genau hinschaut, fällt auf, dass sich unsere allgemeinen Bedürfnisse im Wohnraum nicht wirklich gewandelt haben, bloß sind die Schwachstellen sichtbarer geworden: Eine starre Raumaufteilung, fehlende Gemeinschaftsflächen oder Rückzugsorte zum Beispiel. Diese „Problemstellen“ fanden sich bereits vorher, nur konnte man vor ihnen nach draußen flüchten – ins Büro, in die Schule oder zu Freunden. Unser Wohnen hat sich also kaum verändert, aber dennoch: unser Zuhause muss sich wandeln.
Das Wohnen wird optimiert
Zu dieser Beobachtung passt auch, dass sich viele Menschen in den vergangenen Monaten erheblich mit ihrem Zuhause auseinandergesetzt, die Farbrolle geschwungen oder neue Möbel angeschafft haben. Statt Urlaub war Veränderung im Zuhause angesagt. Das Homeoffice ist professionalisiert worden – weg von der schnöden Ablage für die Steuererklärung, hin zum Schreibtisch mit Bürostuhl und Video-Call-Ausrüstung. Damit es optisch ins Zuhause passt, darf das ganze ruhig mit Bildern, Pflanzen und Accessoires wohnlich dekoriert werden. Interieur-Problemzonenbekämpfung sozusagen. Was vorher nicht optimal eingerichtet war, wurde jetzt gemütlich. Neues Sofa, größerer Esstisch oder eine Schreibtischplatte für das Bücherregal, das alles sind sehr individuelle Lösungen.
Konzepte und Ideen für die Zukunft
In der Architektur aber denkt man inzwischen schon weiter: Wie kann Wohnraum so gestaltet werden, dass er sich unseren sich Bedürfnissen anpassen kann. Denn auch wenn die vergangenen 18 Monate keine grundlegende Änderung eingeläutet haben, sondern nur bestehende Entwicklungen beschleunigten, ändern sich unsere Anforderungen mit dem Leben. Flexible Räume, multifunktionale Flächen, Gemeinschaftsräume, Co-Working-Spaces und Begegnungszonen sind nicht einfach nur Buzzwords für Architekturschaffende, sondern Anforderungen an die Zukunft, insbesondere im urbanen Raum. In der Stadt wird die Wohnfläche weniger werden, dafür muss auf kleinerer Fläche mehr möglich sein. Homeoffice und Homeschooling sind da wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges.
Pandemie hin, Pandemie her, The New Normal erfordert von uns ein Überdenken unserer Art zu Wohnen. Es ist außerdem so, dass die Klimakrise mit schwindenden Ressourcen und unvermeidbaren Einschränkungen für die gesamte Gesellschaft einhergeht. Die Baubranche ist eine der energieintensivsten und auch sonst müssen und sollen wir unseren Energieverbrauch im Alltag reduzieren. Dabei wird die Art, wie wir Wohnen, eine wichtige Rolle einnehmen. Hier braucht es Ideen und Innovationen. Spannende Konzepte gibt es bereits, die unter anderem in diesem Podcast der Süddeutschen Zeitung besprochen wurden.
Wenn uns diese Pandemie eines gezeigt hat, ist es, dass wir Menschen uns an neue Situationen anpassen können. Veränderungen sind nicht immer leicht, aber möglich und nötig. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Aktuell tut es vielleicht ein Eimer Farbe oder ein Schreibtischstuhl. In Zukunft aber werden es größere Konzepte sein, damit das Wohnen für alle schön und lebenswert ist.
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