Wenn es einen Designer auf dem Salone del Mobile in Mailand gab, an dem man nicht vorbeikam, dann war das Sebastian Herkner. Bei einer ganzen Reihe an Herstellern gab er sich mit neuentwickelten Produkten die Ehre. Die Zusammenarbeit mit Dedon läuft schon mehrere Jahren. Für den Lüneburger Hersteller hochwertiger Outdoormöbel hatte Herkner bereits vor einigen Jahren die Mbrace Kollektion kreiert. Nun reiht sich ein weiteres Möbel des Offenbacher Designers ein ins Programm von Dedon: Das Mbarq Sofa. Im Interview beantwortet das „Designwunderkind“ routiniert und geduldig unsere Fragen und verrät außerdem, warum sein Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach wie vor in Hessen liegt.
Mbarq Sofa: Sebastian Herkner im Interview
DBS: Wir sitzen hier gerade auf deinem neuen Sofa für Dedon. Es ist nicht Teil der Mbrace-Reihe, hat aber starke Ähnlichkeiten mit den Designs.
Sebastian Herkner: Mbrace ist eher ein singulärer Einsitzer. Man kann auch zu zweit drauf sitzen, aber es ist eher ein Sessel, Schaukelstuhl, neben Sofas eben. Und Mbarq ist jetzt die Ergänzung als Sofa – aus dem gleichen Geflecht, dass es auch in denselben Farben geben wird, wie die Mbrace Kollektion. Es besteht aus einem Aluminiumuntergestell, das verschieden Powdercoats haben kann und deren Polster mit Kvadrat-Stoffen bezogen sind.
Es ist modular aufgebaut, das heißt, man kann es separat verschiffen. Das ist nicht ganz unwichtig, weil es ja aus den Philippinen kommt, wo die Dedonfaser geflochten wird. Das Mbarq Sofa gibt es in zwei Höhe, einmal eher traditionell und dann mit dem hohen Rücken, was man oft von Bürosofas kennt. Stellt man dann zwei dieser Sofas im Garten oder auf der Terrasse gegenüber, wird dadurch ein eigener, intimer Raum geschaffen – etwa für Low Dining oder um Gespräche zu führen. Das war so die Idee dahinter.
Mbarq ist deine zweite Serie für Dedon, neben Accessoires wie den Leuchten und Tischchen. Wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit?
SH: Wir haben uns vor sechs, sieben Jahren hier auf der Messe getroffen. Anschließend habe ich Dedon in Lüneburg besucht, wo die Faser produziert wird. Und dann haben wir über drei Jahre an Mbrace gearbeitet. An dem Mbarq Sofa jetzt zwei Jahre. Dedon hat einen sehr hohen Qualitätsanspruch, was aber auch wichtig ist heutzutage, weil es sehr viel Produkte gibt, die keine gute Qualität haben. Und Dedon gibt zehn Jahre Garantie auf seine Produkte. Dementsprechend hoch sind die Ansprüche an das Entwicklungsverfahren. Das Mbarq Sofa kannst du mit einem Hochdruckreiniger reinigen, bei Wind und Wetter draußen stehen lassen, es trocknet schnell. Das sind natürlich tolle Möglichkeiten für Designer, mit solchen Materialien zu arbeiten. Das Draußen wollen wir wohnlicher machen. Outdoor ist das neue Indoor.
Und wie läuft der kreative Prozess ab? Wie kommst du auf die Idee?
SH: Wir machen Zeichnung, Geschichten, wir teilen Ideen, wir reden viel. Dann gibt’s natürlich Änderungen, man entwickelt das zusammen mit den Ingenieuren von Dedon. Man fliegt dann nach Cebu auf den Philippinen, entwickelt dort zusammen, muss dann vielleicht nochmal den Radius ändern, weil das Geflecht nicht so mitmacht. Weil es sehr schwierig ist, das so präzise zu flechten. Und das macht man bei Dedon wirklich wahnsinnig gut.
Für die zwei Module vom Mbarq Sofa benötigt ein erfahrener Flechter etwa sechs Tage.
Das Unternehmen beschäftigt mehrere hundert Flechter, die die Produkte in Handarbeit fertigen. Für die zwei Module vom Mbarq Sofa, auf dem wir gerade sitzen, benötigt ein erfahrener Flechter etwa sechs Tage. Viele Denken, die hätten Roboter und würde mit dem 3D-Drucker gemacht, weil es so gleichmäßig aussieht. Aber es ist Leidenschaft, Know-How und Geduld, die dieses Ergebnis bringen. Wir würden das heute nicht mehr machen, uns sechs Tage hinsetzen und flechten. Aber dort haben sie wirklich diese Geduld. Und dafür bin ich wahnsinnig dankbar. Das dauert zwar seine Zeit, aber es ist auch eine andere Qualität. Dazu kommt, dass diese Faser super robust ist. Die hat sich bei Dedon seit über 25 Jahren bewährt. Im eigenen Labor werden die Fasern Extrembedingungen ausgesetzt, um zu sehen, dass sich da nichts verändert, auch nach 10 Jahren nicht.
Ist das Flechten ein traditionelles Handwerk, was es dort gibt?
SH: Ja. Der größte Teil der Möbelindustrie für Outdoorflechtwerk befindet sich in Indonesien und den Philippinen. In Deutschland gibt es kaum noch Korbflechter. Und ehrlich gesagt wäre das mit Sicherheit auch zu teuer. Aber Dedon ist in der Region ein toller Arbeitgeber. Die Menschen sind fest angestellt, es gibt eine Kantine und verschiedene Hausprojekte. Und das Werk sieht aus wie ein Werk in Deutschland. Man produziert da mit Verantwortung.
Für Handwerk hast du einen ganz besonderen Sinn. Reizen dich auch technischere Verfahren?
SH: Ich mag das Handwerk, weil es eine andere Wertigkeit und Qualität mitbringt. Aber auch an technischeren Verfahre sind wir dran. Beim Mbarq zum Beispiel bei den Aluminiumbeinen. Aber für mich muss das nicht im Vordergrund stehen. Wir nutzen es auch, da wird unter anderem mit Robotern geschweißt. Aber ich muss jetzt kein futuristisches Möbel machen. Weil ich glaube, das ist auch falsch. Wir haben genug neue Sachen in der Elektronik und der Arbeitswelt. Und Zuhause wollen wir eher etwas vielleicht Traditionelles, etwas Bekannteres wie einen Korb, etwas Schützendes, kurz etwas Echtes.
Die Hälfte des Jahres bist du für deine Projekte und Produkte rund um die Welt unterwegs. Aber dein Studio und deine Homebase sind in Offenbach. Ist das ein Ort, der dich erdet?
SH: Ja, dort habe ich studiert. Vor den Toren Frankfurts, in direkter Nähe auch zum Flughafen. Natürlich erdet mich das. Mein Mann ist im Einzelhandel tätig. 95 Prozent meiner Freunde können sich meine Entwürfe nicht leisten. Das ist eben total normal dort. Und das ist gut so.
Wenn du so zurückguckst auf deine Entwürfe: Gibt es darunter ein Produkt, was unterschätzt wird oder seiner Zeit voraus war?
SH: Na ja, der Bell Table. Den habe ich damals, vor fast genau zehn Jahren, auf dem Salone Satellite präsentiert. Der Tisch hat drei Jahre lang keinen interessiert. Der war zu früh. Ich war bei den größten Firmen damit und keiner wollte ihn ins Programm aufnehmen. Und dann hat sich ClassiCon „erbarmt“. Und das ist jetzt bei denen das erfolgreichste Produkt. Also manchmal bist du zu früh. Das kennen andere Kollegen auch. Du brauchst natürlich die richtigen Partner, die Presse, die Fotos etc. Es sind so viele Akteure oder Faktoren, die daran beteiligt sind, dass ein Produkt erfolgreich wird oder eben nicht.
Menschlich und Authentisch
Wieviel Zeit braucht es von der Idee bis zum fertigen Produkt?
SH: Das ist völlig unterschiedlich. Zuerst brauche ich die zündende Idee. Die kann ich in einer halben Stunde haben oder nach einem Jahr noch nicht.
Und wie reagiert der Auftraggeber bzw. Partner?
SH: (lacht) Na ja, ich sag dann halt: Ist noch nicht fertig. Du musst authentisch sein und ehrlich. Und ich habe auch eine große Verantwortung für die Firma, für die Angestellten. Ich muss ja aufpassen.
Und wie groß ist dein Team?
SH: Wir sind fünf, sechs.
Das ist nicht sonderlich groß, dafür, dass du so beschäftigt bist…
SH: … ich arbeite eben viel.
Wenn das Produkt fertig ist, was wünschst du dir für das „weitere Leben“ deiner Produkte?
SH: Da habe ich gar keine Kontrolle drüber. Ich muss die quasi hier auf der Messe abgeben, dann sind sie beim Händler und dann irgendwann beim Kunden. Der kombiniert sie dann irgendwie. Das ist aber auch das spannende. Man sieht die vielleicht auf Instagram unter einem Hashtag, wo die Produkte dann mal landen. Oder man stolpert im Hotel einmal drüber. Das ist auch schön, wenn man sie dann wiedersieht. Man muss nur eben den Moment haben, um loszulassen. Manchmal gibt es auch Ergänzungen zum Produkt. Das ist natürlich schön, wenn man mit dem Partner längere Zeit zusammenarbeitet und etwas Neues schafft. Inzwischen hat man sich über Jahre beschnuppert und weiß, wie man miteinander umgehen muss. Das ist natürlich ein Vorteil.
Eine langjährige Partnerschaft geht man oft auch mit deinen Möbeln ein.
SH: Hoffentlich. Langlebigkeit geht nur über Material und Qualität und das ist ein Trend. Das macht das Handwerk eben auch aus.
Apropos Material; gehst du auch auf Materialrecherche?
SH: Manchmal. Es kommt oft vom Kunden, aber wir gehen auch auf Messen wie die Techtextil. So ein Projekt entwickelst du nicht allein, du brauchst einen starken Gegenüber, der sich auskennt mit den Materialien. Wir selbst kennen uns ein bisschen aus, aber die Experten sind wir natürlich nicht. Die sitzen bei den Herstellern. Die größten Fortschritte und Entwicklungen bei den Materialien gibt es wahrscheinlich im technischen Bereich. Das sieht man dann etwa bei Leuchten, wie jetzt auch auf der Euroluce.
Super, danke für das Gespräch und dass du dir die Zeit für unsere Fragen genommen hast.
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