Etwa 20 Jahre lang gehört Greta Grossman fest zur Kalifornischen Designszene – nur um dann aus dem Bewusstsein und der Geschichte des amerikanischen Mid Century Designs zu verschwinden. Über Jahrzehnte war sie nicht viel mehr als eine Fußnote der Designgeschichte. Wie konnte das passieren?
In der Möbelwerkstatt zuhause
Die Geschichte der einflussreichen Designerin und Architektin beginnt im Juli 1906, als sie im schwedischen Helsingborg als Greta Magnusson geboren wird. Dort, an der Südküste Schwedens, wuchs sie in einer Tischlerfamilie auf. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum sie vor dem Studium an der renommierten Kunstakademie „Konstfack“ in Stockholm zunächst eine Ausbildung zur Tischlerin begann. Unprätentiös, ihr seit der Kindheit sehr vertraut und ihrer Kreativität zugewandt. Aber auch ein Ort, an dem sie als Frau auffiel.
1928 ging sie für das Studium nach Stockholm, wo sie sich neben dem Thema Möbel auch Textildesign und Keramik widmete. Fünf Jahre später, mit gerade einmal 27 Jahren, wurde sie von der schwedischen Gesellschaft für Industriedesign mit dem Preis für „Gutes Möbeldesign“ ausgezeichnet – als erste Frau überhaupt. An den Besuch des Konstfack schloss sie später ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule an. Zwischenzeitlich hatte sie in einem schwedischen Warenhaus nach einer Anstellung als Möbeldesignerin gefragt. Sie wurde abgelehnt mit der Begründung: „Wir haben keine Räumlichkeiten für Frauen“.
Von Stockholm nach Los Angeles
Sie gründete daraufhin ein eigenes Designbüro am belebten Stureplan in Stockholm und wäre dort vielleicht noch eine Weile geblieben. 1940 jedoch emigriert sie mit ihrem Ehemann, dem britischen Jazzmusiker Billy Grossman in die USA, nach Los Angeles. Es ist hier, wo sie sich einen internationalen Namen machen sollte. Kaum angekommen, etablierte sie ihr eigenes Designbüro Magnusson Grossman am Rodeo Drive in LA. Schwedisches Design war zu der Zeit bereits ziemlich populär in den USA, genauso wie in Europa. Dort akquirierte sie als Designerin und Architektin schnell einen loyalen Kundenstamm, zu dem auch so illustre Persönlichkeiten wie Greta Garbo und Ingrid Bergman.
Nach nur drei Monaten in LA wurden einige ihrer Arbeiten bereits in Gruppenausstellungen mit anderen berühmten Designern gezeigt. Die charismatische Schwedin war nämlich nicht nur eine sehr gute Formgeberin, sondern auch eine geübte Networkerin, wie man das heute nennen würde. Darin war sie bereits seit ihren Stockholmer Anfängen geübt, als sie ausschweifende Partys mit ihrem Mann gab, auf der auch die Hautevolee der Stadt zu treffen war.
Greta Grossman als Möbeldesignerin
In den Staaten fokussierte sich ihre Arbeit zunächst auf Möbel- und Lichtdesign und Grossman verkaufte einige ihrer Entwürfe an bekannte und etablierte Hersteller. In ihrem Showroom zeigte sie neben den eigenen Entwürfen auch anderes skandinavisches Design, was wohl die Türen öffnete für die Begeisterung amerikanischer Designenthusiasten für die Dänische Moderne in den 1950-ern.
Ihre eigenen Designs sprechen die modern-skandinavische Sprache der Zeit, jedoch immer mit einem kleinen Twist. So erinnern ihre Leuchten irgendwie an mechanische Blumen und Blüten. Beeinflusst wurde sie bereits in Schweden von der Schule des Bauhaus‘, allen voran von Mies van der Rohe und Gropius. Dennoch haben ihre Schöpfungen alle etwas Eigensinniges. Sie sind simpel und zugleich hochtechnisch, Umfassen beispielsweise flexible Hälse und schwenkbare Kugelzapfen an Leuchtenschirmen. Der Vergleich mit Serge Mouille und Mathieu Matégot liegt hier nahe.
„Die althergebrachte Idee, dass Frauen nicht gut mit mechanischer Arbeit sind, ist stumpf und unsinnig“, sagte Grossman einmal. „Der einzige Vorteil, den ein Mann beim Möbelentwerfen hat, ist seine physische Kraft.“
Greta Grossman gelang es, in ihren Kreationen die Skandinavische Einfachheit mit den Materialien und Technologien Kaliforniens zu verbinden. Sie mochte sanfte Formen, starke Farben und humorvolle Ideen. Als Designerin war sie zu ihrer Zeit sehr stilprägend und maßgeblich an der Definition des California Modernism beteiligt. Geprägt war ihre Handschrift bis in die 1960er Jahre hinein unter anderem durch schwebende Sitz- und Rückenflächen auf skulpturalen Beinen und asymmetrische Kuben auf stählern-filigranen Füßen. Heute werden einige ihre Entwürfe von Gubi neu aufgelegt – mit großem Erfolg. Ihre Leuchte Gräshoppa ist heute ein schwedischer Klassiker. Ihre Leuchte Cobra wurde 1950 vom MoMa ausgezeichnet.
Greta Grossman als Architektin
Ihr Vermächtnis aber besteht nicht nur aus Entwürfen für das Interieur, sondern auch aus insgesamt 16 Häusern, die in Kalifornien und Schweden errichtet wurden. Greta Grossmans Häuser in den Hollywood Hills und den umliegenden Tälern sind Vorreiter des Open-Plan-Livings. Lichtdurchflutete, offene, moderne Häuser, die die Einflüsse des Bauhaus mit der unbeschwerten Funktionalität der Case Study Houses der Eameses paart. Die meisten ihrer Häuser stehen dabei auf überraschend kleinem Fuß – 140 qm und weniger. In ihnen steckt viel handwerkliches Können und behutsam ausgewählte und verarbeitete Materialien wie Glas und Holz. 14 ihrer 16 Gebäude entwarf die Architektin Greta Grossman innerhalb von 10 Jahren in Los Angeles (von 1949-1959). Nur ein einziges steht in Europa. Grossman wurde bekannt dafür, Häuser auf schwierigen Grundstücken, etwa kleinen Flächen und komplizierten Hanglagen, zu errichten.
…und dann war sie plötzlich weg
1966 hatte Greta Grossman dann genug vom Designzirkus in Los Angeles. Sie ließ die Architekturszene der Großstadt hinter sich und zog mit ihrem Mann nach Encinitas, wo sie in einem von ihr selbstentworfenen Bau lebten. Die letzten 30 Jahre ihres Lebens widmete sie der Landschaftsmalerei. Ihr Lebenswerk geriet dabei fast in Vergessenheit. Selbst in Schweden war sie nur wenigen Designkundigen noch ein Begriff. Seit 2012 aber ist ihr Name deutlich bekannter geworden, denn seitdem legt der dänische Hersteller Gubi einige der schönsten Entwürfe Grossmans auf. Darunter die Serie 62, Cobra als Wand-, Tisch- und Stehleuchte und natürlich auch den berühmten Grashüpfer aka die Gräshoppa Leuchte. So schnell also wird die grandiose Designerin und Architektin nicht mehr dem Vergessen anfallen. Bis heute sind ihre Arbeiten relevant, weil sie sowohl funktional sind, als auch handwerklich gut gemacht und verspielt.
Dieser Text wurde zuletzt am 19.4.2024 aktualisiert.
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