Als Kind berühmter Eltern hat man es scheinbar nicht immer leicht. Ständig wird man nach den Eltern gefragt, es wird viel in die eigene Arbeit und deren Einfluss hineininterpretiert. Das kennt die französische Designerin Inga Sempé nur zu gut. In Interviews wird sie häufig auf die Mutter und mehr noch auf den Vater angesprochen. Es ließe sich vermuten, dass die Bekanntheit der Eltern sich auf das Ego Inga Sempés auswirkten. Doch scheint das nur marginalen Einfluss auf ihre Persönlichkeit gehabt zu haben. Natürlich haben sie sie beeinflusst, antwortet sie auf Nachfragen dazu in Interviews. Aber wahrscheinlich anders, als viele meinen. „Meine Eltern haben mich beeinflusst. Jedes Kind wird von den Eltern beeinflusst, auch wenn sie gar kein Talent haben.“ Auch die Abwesenheit von Menschen und Dingen beeinflussen das Kind.
Inga Sempé – Designerin ohne Inspiration, aber mit reichlich Ideen
Wenn sie ihren Arbeitsprozess beschreibt, erinnert das mehr an einen guten Handwerker, als eine geniale Künstlerin. Und so versteht sie sich auch. Inga Sempé ist Designerin und Formgeberin – eine der einflussreichsten Frankreichs sogar. Sie begeistert sich für Objekte, Strukturen und Mechanik. Für ausschweifende Konzepte jedoch zeigt sie wenig Interesse. Was nicht heißt, dass die Designerin ausschließlich kleine Einzelteile und vermeintlich „weibliche“ Designaufgaben entwickelt. Sempé liebt Funktionalität und clevere technische Lösungen. Stift, Papier und jede Menge Geduld sind ihre Arbeitsmittel. Beim Zeichnen kommen ihr die meisten Ideen. Mit dem Wort Inspiration hat sie es nicht so, zu oft entstehe aus der Inspiration eine gefällige Kopie. Entwerfen ist Arbeit, das sieht Inga Sempé ganz pragmatisch.
Keine Lust auf Hokuspokus
Der Nimbus der Genialität und der küssenden Muse scheint ihr fremd. Selbstdarstellung und -Marketing ebenso. Beides Eigenschaften, die sie sich mit ihrem Partner Ronan Bouroullec teilt. Was nicht bedeutet, dass es ihr an Selbstbewusstsein mangelt. Im Gegenteil, Sempé ist sich des Werts ihrer selbst und Arbeit in der männerdominierten Designbranche absolut bewusst. Auf die Frage, ob sie sich auch vorstellen könnte, mit ihrem Mann zusammenzuarbeitet, antwortet sie mit einem klaren Nein. Sie ist Eigenbrötlerin, beantwortet alle Emails selbst und arbeitet ausschließlich mit Unternehmen, bei denen sie direkt mit den Chefs kommuniziert.
Licht, Leuchten und Madame Lampion
Inga Sempé gibt Nichts auf Gefälligkeit, dafür aber auf konsequente Funktionalität. Ihre Kreationen sind durchdacht, schlicht und oft mit einem Überraschungsmoment versehen. Besonders bekannt sind ihre Leuchten, weshalb sie in Frankreich den Spitznamen „Madame Lampion“ trägt. Warum ausgerechnet so häufig Lichtobjekte? Weil der menschliche Körper dem Designer Grenzen und Limitationen setzt. Und die gibt es bei Leuchten nicht. So einfach ist das. Sie designt trotzdem auch andere Objekte: Besteck für Alessi, Spiegel und Pinboard für HAY, Sofas für Ligne Roset und Stoffdekore für Røros Tweed.
Ihre Leuchten gehören zu ihren gefeiertsten Designs. So etwa die Sempé w013 Tischleuchte von Wästberg, deren Schirm sich dank eines magnetischen Gelenks kippen lässt. So kann die Streuung des Lichts nach Belieben manuell verändert werden. Oder die Plissé Leuchte, die sie für Luce Plan entwarf. Die Hängeleuchte lässt sich zusammenfalten und auseinanderziehen – je nachdem wie groß der Tische oder die Dinnerrunde eben ist.
Die schnörkellosen Entwürfe stehen im Kontrast zu ihrer Umgebung: geboren und aufgewachsen ist Inga Sempé in Paris, besuchte dort das renommierte ENSCI (École Nationale Supérieure de Création Industrielle) und arbeitet nach dem Studium für den Designer Marc Newson und die Interior Design Ikone Andrée Putman. Nach einer kurzen Episode in Rom kehrte Sempé dann alsbald zurück nach Paris. Heute betreibt sie mit einem sehr überschaubaren Team hier ihr Studio.
Von Paris aus mit schlichtem Design in die Welt
Und trotzdem arbeitet sie meist mit Herstellern und Unternehmen außerhalb Frankreichs zusammen. Warum? Nun, in Frankreich gäbe es keine Arbeit für unabhängige Designer. Firmen arbeiten selten mit ihnen zusammen, weil sie meinen, sie könnten das selbst. Sie hätten weniger Achtung für Designer, weshalb diese es in Frankreich eben schwer haben. Der gute Ruf französischen Designs komme ihrer Meinung nach daher, dass die sich vor allem an ausländische Unternehmen wenden. Wie sie auch häufig. Ganz so aussichtslos ist es dann aber vielleicht doch nicht. Mit Moustache hat sie schließlich schon kooperiert, ebenso mit den Sofa-Spezialisten von Ligne Roset.
Inga Sempé ist eine der einflussreichsten und spannendsten Designerinnen unserer Zeit. Sie ist authentisch und nicht abgehoben, pragmatisch und selbstsicher. Sie Schafft Objekte, die man in ganz normalen Läden kaufen kann und die auch in ganz normale (in Paris eher kleine) Wohnungen passen. Sie braucht kein Rockstarimage und ist keine Rampensau. Bei ihr spricht das Design ganz für sich. Das ist leicht zu beobachten. Wir sind gespannt auf die Dinge, die da noch kommen werden.
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