Der Countdown läuft, es sind nur noch wenige Tage bis zum neuen Jahr. Während 2022 schon in den Startlöchern steht, nutzen wir die Zeit, um auf das Designjahr 2021 zurückzublicken. Welche Entwicklungen und Trends waren zu beobachten, welche Designer haben von sich reden gemacht und auf was wollte man im Designjahr 2021 keinesfalls verzichten? Wir haben es einmal ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengefasst.
Das war unser Designjahr 2021
Farbe: Blau in all seinen Facetten
Das Pantone Institut hatte einen satten Blauton bereits im Vorjahr angekündigt, in diesem Jahr nahm die Farbe in quasi sämtlichen Schattierungen richtig Fahrt auf. Blaue Wände, blaue Sofas, Kunstdrucke und Wohnaccessoires, nahezu alles durfte diese Farbe in 2021 tragen. Auf der Designwoche in Kopenhagen, die gemeinhin als Interior Trendschau für die kommenden Jahre gilt, war die kühle Farbe fast überall in irgendeiner Form vertreten. Es sind insbesondere die intensiven Nuancen wie Yves-Klein-Blau, Electric Blue und Indigo, die im Designjahr 2021 die Plätze einnahmen – und auf denen wohl auch noch eine weile sitzen bleiben. Die Farbe des Jahres 2022 ist ein Blau-Violett-Ton mit dem schönen Namen Very peri – das verstehen wir als Fortsetzung des Blautrends.
Designer_innen: Muller van Severen
Kaum eine Kollaboration auf dem angeheizten Interior-Design-Markt wurde so sehnlich erwartet wie die Zusammenarbeit von HAY und MullerVanSeveren. Das Belgische Designduo Fien Muller und Hannes Van Severen ist das derzeit vielleicht gefragteste Kreativpaar der Branche. Die beiden verstehen sich mehr als Künstler denn als Designer, erschaffen sie doch oft Objekte, die entweder nicht besonders praktisch oder nicht sehr bequem sind. Dafür sind sie sehr geradlinig und in sehr präsenten Farben gestaltet. Ihre eigene “Farbpalette” hat einen hohen Wiedererkennungswert, der sich auch im Ergebnis der Zusammenarbeit mit HAY zeigt. Die ARCS Serie besteht aus erschwinglichen Accessoires, ergänzt wird das Programm durch eine kleine Esstischserie, die unverkennbar die MullerVanSeveren-Handschrift trägt.
Muster des Jahres: Gingham & Schachbrett
Das Karo ist zurück. Im Designjahr 2021 zeichnete sich ab, was sich voraussichtlich im neuen Jahr fortsetzen wird: einfache grafische Muster erleben eine Hochzeit. Das Gingham-Muster, was man von Tischdecken und Vorhangstoffen aus dem Landhausstil der 1990er Jahre noch gut in Erinnerung hat, eroberte gerade die Altbauwohnung von Stockholm bis London. Auf dem Boden ist das Schachbrettmuster nun nicht mehr nur Aufgabe der Fliesenleger, sondern kommt immer häufiger in Form von handgeknüpften Teppichen daher.
Style: Playfulness
Muss man in diesen pandemischen Zeiten alles ernst nehmen? Gewisse Dinge vertragen eine verspielte Note, darunter auch das Interieur. Mit einem Augenzwingern und humorvollen Objekten dem zuhause ein bisschen die formelle Note nehmen, Playfulness ist im Designjahr 2021 absolut angesagt. Bonbonfarben in der Küche, humorvolle Kleinmöbel und zwischendrin bunte Accessoires, die Erwachsenen und Kindern ein Lächeln entlocken – so wurde das Stubenhocken in diesem Jahr erträglich. Und weil Covid-19 uns auch im kommenden Jahr noch beschäftigen wird, behalten wir uns den humorvollen Blick auf das Interieur so lange wie möglich bei.
Material: Recycling-Kunststoff
Im Designjahr 2021 dürfet den meisten bewusst geworden sein, dass es Alternativen zu Plastik braucht. Zu Neuplastik in jedem Fall. Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist das Ideal, nach dem die Designbranche gerade strebt. Das bedeutet, die Ressourcen zu nutzen, die bereits vorhanden sind und neue Rohstoffe nur minimal einzusetzen. Deshalb experimentieren und arbeiten immer mehr Hersteller auch aus dem Einrichtungsbereich mit Recycling-Kunststoff.
Werden daraus Textilien hergestellt, fällt die Wahl oft auf Fäden aus PET-Flaschen. In anderen Bereichen wird auf Kunststoffabfälle aus der Industrie gesetzt, wie etwa für die AYNO Leuchte von Midgard. Hier werden Abfälle aus der Konsolenfertigung der Autoindustrie für Leuchtenschirm und -Arm genutzt. Die Materialwissenschaft hat ein großes Potenzial und sicher ist Recycling-Kunststoff nicht das Ende der Möglichkeiten. Im Designjahr 2021 aber ist es der Dernier Cri.
Must haves: Grüne Oase
„My Home is my Castle“, lautet ein Englisches Sprichwort. Aber ab und an muss man auch mal raus aus den eigenen vier Wänden. Ganz besonders stark spüren wir dieses Bedürfnis in Zeiten, in denen man dazu angehalten ist, mehr Zeit zuhause zu verbringen. Von Glück sprechen können dann all diejenigen, die Garten, Terrasse oder Balkon ihr Eigen nennen dürfen.
Eine Laube auf dem Wassergrundstück ist da so etwas wie die Premiumversion des Schrebergartens bei gestressten Großstädtern. Dieses Privileg besitzen die wenigstens, weshalb auch der Balkon oder die Terrasse insbesondere in der warmen Jahreszeit zu unseren Lieblingsorten im Designjahr 2021 gehörte. Himmel sehen, sich von der Sonne kitzeln lassen und zwischendurch mit einer ruppigen Handbewegung die herumfliegenden Insekten verscheuchen. Wer selbst keine grüne Oase besitzt, hat hoffentlich Freunde, die hier auf eine Limo eingeladen haben.
Termine des Jahres
Fast alle Pflichttermine wurden im Vorjahr aufgrund der Pandemie angesagt. Umso mehr freuten wir uns in diesem Designjahr 2021 auf die Veranstaltungen, die endlich wieder stattfanden – wenn auch unter anderen Bedingungen. Die wichtigsten Termine waren wohl der Fuori Salone in Mailand, im Rahmen des Salone del Mobile natürlich, und 3 Days of Design Kopenhagen. In Mailand war es vor allem das Geschehen in der Mailänder Altstadt und im Designbezirk Brera, die so eine leichte Ahnung von Prä- oder Postpandemischer Normalität durchblicken ließen. Und in Kopenhagen besuchten wir die Showrooms und Stores des skandinavischen Interior Szene und schauten uns in einer ungewohnten Normalität das an, was uns im kommenden Jahr an Accessoires und Updates erwarten wird.
Abschiede im Designjahr 2021
Gleich zwei junge, vielbeschäfftigte Designer_innen haben uns in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 verlassen. Pauline Deltour war eine der verversprechendsten und umtriebigsten Produktdesignerinnen Frankreichs, Virgil Abloh der erste Schwarze Designer, der eine Männerlinie eines Luxus-Modehauses leitete.
Virgil Abloh (1980-2021)
Für Außenstehende kam die Nachricht vom Tod des Amerikaners Virgil Abloh am 28. November 2021 völlig unerwart an einer seltenen Krebserkrankung. Abloh hatte sich insbesondere als Stylist von Kanye West und als Gründer der Modelabels Off White einen Namen gemacht. Dennoch war er Wandler zwischen den Grenzen, bewegte sich zwischen Musik, Mode und Möbeldesign umher, wie kein Zweiter.
Typisch Virgil Abloh waren Dekonstruktion, Anführungszeichen und Kabelbinder. Gerade im Bereich Streetwear war Virgil Abloh einer der prägendsten Kreativen der letzten Jahre und verlieh diese Coolness immer wieder auch Kollaborationspartnern wie Nike und Vitra. Diese Zusammenarbeiten waren ein fixer Bestandteil seines Schaffens. Dabei war Abloh kein klassisch-ausgebildeter Modedesigner, sondern studierter Architekt. Abloh zeichnete sich durch eine immerwährende Neugier, Präsenz und Zugewandtheit aus, so sagen Menschen, die ihn kannten. Mit ihm zog die Streetwear auch ins Zuhause ein – wenn man denn eines seiner oft limitierten Stücker ergattern konnte.
Pauline Deltour (1983-2021)
Pauline Deltour war eigentlich gerade erst dabei, mit ihrer Karriere richtig Fahrt aufzunehmen. In gerade einmal 10 Jahren avancierte Deltour zur international renommierten Designerin, einen Beruf, den sie liebte. Ihr Erkennungszeichen wurde die Verbindung von Strenge und Zartheit, die bei vielen ihrer Projekte sichtbar wird. Sie ließ sich auf die Eigenheiten von Materialien ein und schuf so moderne, praktische und logische Produkte. Das lag wohl auch daran, dass sie die Kunst gleichermaßen liebte wie die Mathematik.
Sie absolvierte nach ihrem Studium ein Praktikum in München bei Konstantin Grcic, war beteiligt an Arbeiten bei Vitra und Thonet, und entwarf u.a. für Hem den Rope Teppich. Blickt man auf ihr vielgestaltiges und vielseitiges Werk, das in nur wenigen Jahren entstand und auf die Präzision, mit der sie jedes ihrer Projekte ausarbeitete, dann wird die große Kraft, Nachdrücklichkeit, Klarheit und Ruhe sichtbar, mit der sie entwarf. Am 10. September 2021 starb sie mit einmal 38 Jahren plötzlich und unerwartet in Paris.
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