Mit Schirm, Charme und MDF – Möbel von Moormann
Möbel von Moormann – Möbel sind die neue Mode, sich einzurichten ist die neue Art, seine ganz eigene Individualität auszudrücken und die dann aller Welt auf Instagram oder dem privaten Blog auszudrücken. Daran ist nichts verwerflich und auch wir können uns stundenlang im Netz in tollen Wohnwelten verlieren. Möbelhersteller agieren inzwischen wie Modelabel und bringen beständig neue Kollektionen und Innovationen auf den Markt. Eine neue Sofa-Serie hier, ein Kollaboration mit Designer XY da – gefälliges Design, das sich gut verkaufen lässt. Und es funktioniert, weil die Leute immer mehr Geld und Ideen in ihr Zuhause stecken.
Möbel jenseits der Mode
Moormann scheint dagegen die totale Antithese dieser Entwicklung zu sein. Nicht, dass sich die Produkte nicht verkaufen würden, ganz im Gegenteil. Der Fokus auf Nachhaltigkeit, Originalität und hohe Qualität kommt bei den Kunden an und sorgt für volle Auftragsbücher. Trotzdem drängt das Unternehmen nicht auf unbedingtes Wachstum und versucht, seinen Wurzeln treu zu bleiben. Anstatt jedes Jahr eine neue Kollektion auf den Weg zu bringen, sind es zwei bis drei Möbel, die im Jahr dazukommen. Manchmal auch gar keines. Das liegt daran, dass Unternehmensgründer Nils Holger Moormann eine echte Begeisterung für ein Möbel braucht, damit es auch im Programm seiner Firma landet. Nicht immer sind das dann Verkaufsschlager, aber immerhin sind es Designs mit Charakter und Charme. Wie etwa der Pressed Chair, für dessen Herstellung für das Unternehmen völlig neue Produktionsprozesse entwickelt wurden. Das Ergebnis ist ein aus Aluminiumblech gepresster Stuhl, der sich bis heute nicht amortisiert hat, aber der Nils Holger Moormann noch immer am Herzen liegt. Und deshalb ist er auch weiterhin im Programm.
Von der Schubkarre zum Lesesessel
Andere Möbel von Moormann verabschieden sich nach einiger Zeit wieder aus dem Sortiment, der Grund hinter jedem einzelnen „Möbeltod“ ist ein so subjektiver wie emotionaler. Sie überzeugen nicht mehr, so einfach ist das. Bei Moormann ist man da so pragmatisch wie humorvoll. Denn das ist vielleicht eines der auffälligsten Merkmale der Entwürfe der Chiemgauer: sie haben Humor und Charakter. Man nehme da den Bookinist Lesesessel, der nicht nur über integrierte Regalfläche für die aktuelle Lektüre bietet, sondern sich wie eine Schubkarre mit einem Gummirad durch den Raum navigieren lässt. Perfekt für Menschen, die nicht nur einen liebsten leseplatz in ihrem Zuhause haben, sondern sich nicht entscheiden können. Der im besten Sinne komische Sessel erlaubt ihnen maximale Flexibilität.
Rustikal, pragmatisch, humorvoll
Wie wichtig es ist, sich und die eigene Arbeit nicht allzu ernst zu nehmen, beweist auch der Unternehmenssitz in Aschau. Die modernen und schnörkellosen Möbel (ent)stehen in einer kitschig-historistischen Kulisse, einer ehemaligen Reitanlage mit typisch bayrischer Front. Ein witziger wie passender Kontrast zu den geradlinigen Entwürfen aus so verführerisch klingenden Materialien wie MDF und Spannplatte. Holz ist der dominierende Werkstoff bei fast allen Entwürfen. Diese tragen dann auch Namen wie Liesmichl (Beistelltisch), Stellvertreter (Garderobe) und Tagedieb (Bett) – wenn Eltern ihre Kinder mit so viel Ironie taufen würden, es würde kaum Kevins und Chantalles mehr geben.
Der gebürtige Schwabe Nils Holger Moormann hat sich im Chiemgau mit seinem Unternehmen eine eigene kleine Welt geschaffen, die über die Möbelwerkstätten hinausgeht. Denn es gehört auch noch die “Berge” dazu, eine Herberge für Besucher, die für eine kurze Zeit vor der omnipräsenten Realität flüchten und sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren wollen: Bücher. Wie schön es sich dort ganz ohne Telefon und Internet entspannen lässt, haben wir bereits hier festgehalten.
Widerstand ist nicht zwecklos
Bei aller Unkonventionalität des Möbelherstellers ist aber auch klar: ohne ein Auge für das Besondere und eine Leidenschaft für Möbel würde es Moormann nicht mehr geben. Es braucht erfolgreiche Designs und Möbel, um die Firma am Leben zu halten. Der finanzielle Erfolg ist nicht der größte Motivator, er erlaubt es aber, sich leidenschaftlich mit dem Ungewöhnlichen auseinanderzusetzen und Entwürfe zu realisieren, die wahrscheinlich keine Beststeller werden. Das Regalsystem FNP von Designer Axel Kufus ist eine der Erfolgsgeschichten, die die Existenz der Möbelbauer quasi begründen und sichern.
Dass er sich da auch von Kopisten nicht die Butter vom Brot nehmen lässt und vehement gegen Plagiate vorgeht, ist da nicht verwunderlich. Wenn auch nicht jeder Entwurf und jedes Vorhaben von Moormann von Erfolg gekrönt war, die Kämpfe gegen die Plagiatoren hat er bisher noch immer gewonnen. Das zeigt, dass sich Originalität doch lohnt und auch ein vergleichsweise kleiner Möbelhersteller mit Prinzipien sich gegen die Großen behaupten kann.
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