2011 gründeten Fien Muller und ihr Lebens- und Geschäftspartner Hannes Van Severen ihr gemeinsames Studio Muller Van Severen, eine kreative Zusammenarbeit, die zu einer Reihe von Möbelserien und Objekten führte. Die ursprüngliche Berufung des belgischen Duos als Künstler fließt natürlich in ihre aktuelle Arbeit ein und schafft ein Oeuvre, das die Grenzen zwischen Design und Kunst verwischt.
Designer im Portrait: Muller van Severen
Fien Muller und Hannes van Severen schlossen sich 2011 zusammen, um eine erste Kollektion für Valerie Traan zu entwerfen, und erregten sofort die Aufmerksamkeit der Designwelt mit ihren Möbeln und Objekten, die als raffinierte Untersuchungen von Form, Farbe und Materialität erscheinen. Ihre Arbeiten, die von unregelmäßig geformten Schneidebrettern über Post-Moderne-ähnliche Salz- und Pfeffermühle bis hin zu hängemattenähnlichen Sitzmöbeln reichen, sind gleichzeitig raffiniert, elementar und verspielt und lassen sich nicht eindeutig kategorisieren.
Mit ihren Entwürfen werfen Muller Van Severen Fragen auf und überdenkt Designkonzepte, die oft unverändert bleiben. Dabei war Fien Muller nie darauf aus, Designerin zu werden. Die belgische Künstlerin und Designerin arbeitete jahrelang in den Bereichen Fotografie und Video, bevor sie in die Branche wechselte, in der sie heute so bekannt ist. Ähnlich ging es Marten van Severen. Beide stammen aus kreativen Familien, lernten sich bei Studium der Bildhauerei in Ghent kennen und leben heute nicht nur zusammen, sondern arbeiten seit nun über 12 Jahren auch zusammen.
Von der Kunst zum Design
Im Laufe der Jahre haben sich Muller van Severen einen Namen in der internationalen Designgemeinschaft gemacht. Das Duo hat mit renommierten Museen, Galerien und Marken in verschiedenen kreativen Bereichen zusammengearbeitet, darunter Hay, Centre Pompidou, Hermès und valerie_objects. Durch ihren unverwechselbaren Stil sind die Stücke von Muller Van Severen zu den neuen Ikonen des zeitgenössischen Designs geworden. Zuletzt wurden das vielbeschäftigte Duo auf der Maison et Objet als “Designer of the Year” 2023 ausgezeichnet – eine Ehre, die beiden schmeichelt, aber bei weitem nicht der Grund für ihr konstantes kreatives Schaffen ist.
Beide haben Kunst studiert und sind heute doch primär als Gestalter erfolgreich. Sie behaupten selbst von sich, dass sie sich zum Teil im Design wohler fühlen als in der Kunst. In der Kunst hatten sie das Gefühl alles machen zu können, quasi ohne Grenzen. Dadurch fühlten sie sich manchmal etwas verloren, sagte Hannes van Severen erst kürzlich in einem Interview. Die Beschränkungen, die ein funktionales Objekt vorgibt, passen besser zu ihrem Arbeitsprozess.
Ihre Arbeiten entstehen in ihrem Studio, das sich direkt neben ihrem Haus in einem kleinen Dorf in der Nähe von Ghent befindet. Arbeit und Privatleben sind für das Paar also eng verknüpft. Auch deshalb befinden sie sich im kontinuierlichen Austausch über ihre Ideen und Arbeit. Im Ergebnis entstehen Objekte, die Farbe zelebrieren, in ihrer Form puristisch sind und aus ehrlichen Materialien bestehen. Dabei setzen sie vor allem auf Metall, Glas und mitunter Leder. Fien Muller selbst beschreibt ihre Möbel als radikal und technisch, und gleichzeitig sehr langlebig. Natürlich ist die Handschrift des Paares prägend, im individuellen Umfeld aber bekommt jedes Stück auch eine persönliche Note.
„Wir sind als Künstler ausgebildet, aber wir machen hauptsächlich Möbel. Wir bewegen uns also an der Grenze zwischen diesen beiden Disziplinen, aber eigentlich wollen wir so funktionale Arbeiten wie möglich machen – man muss sich ja vor allem auf einen Stuhl setzen. Aber aufgrund unseres Hintergrunds arbeiten wir auf dieselbe Weise wie früher, als wir noch Künstler waren.“ – Fien Muller
Funktionale Kunstobjekte
Auch wenn Muller van Severen nicht behauptet, dass ihre Objekte Kunst sind, so haben ihre Möbel, Leuchten und Accessoires immer auch eine skulpturale Qualität. Die Designsprache von Muller van Severen ist sehr visuell und ausgeklügelt. Ihre Handschrift scheint einen Nerv der Zeit zu treffen, denn sie sind gefragt wie nie zuvor und ihre Designs sind sehr beliebt. Mit Hay als Partner sind einige ihrer Entwürfe für ein breiteres Publikum zugänglich und bezahlbar. Im Entstehungsprozess fragen sich die beiden jedoch nicht, was die Leute wohl als nächstes erwarten. Stattdessen entwerfen sie Objekte, die sie selbst gern hätten und hoffen dann, dass es auch anderen gefällt.
Die Entwurfsphase selbst läuft nicht am Computer ab, wie es andere Designer inzwischen bevorzugen. Stattdessen läuft es so ab, dass es eine Idee gibt, zu der eine_r der beiden eine Zeichnung macht. Der andere ergänzt etwas, worauf der andere wiederum antwortet. Entwerfen findet quasi als gezeichneter Dialog statt. Dabei entwerfen Muller van Severen eine ganze Serie von Objekten. Sobald sie anfangen, sich zu wiederholen, hören sie auf und wählen die stärksten Entwürfe aus.
Farbe denken sie dabei von Anfang an mit, denn das Duo versteht Farbe als gleichberechtigt zum Material. Besonders gut sichtbar wird das vielleicht in ihrer Küche für Reform, eine Marke, die IKEA-Schränke verwandelt. Hier haben sie sich für Farboptionen für die Oberflächen entschieden, bei denen man nichts falsch machen kann, wenn man sie kombiniert. Und wenn man sie kombiniert, schaffen sie verschiedene Stimmungen, die sehr schick oder verspielt sein können.
„Die Farbe ist eines der Schlüsselelemente, die wir berücksichtigen, wenn wir mit der Gestaltung beginnen. Jede Farbe hat ihre eigenen Merkmale, die zum endgültigen Design beitragen, und es ist mir wichtig, dass es immer eine Art von Kontrast in der Arbeit gibt. Ich würde sagen, unsere Arbeit ist kühl und technisch und poetisch, warm und romantisch zugleich. Unsere Arbeit strahlt auch eine gewisse Ehrlichkeit aus. Bei den meisten Objekten, die wir entwerfen, kann man sehen, wie sie zusammengesetzt sind, und das verleiht ihnen eine gewisse Direktheit.“ – Fien Muller
Heller Schein und schönes Sein
Die vielleicht bekanntesten Objekte von Muller van Severen sind ihre Hanging Lamps, die Hannes von Severen anfangs noch selbst baute. Inzwischen gibt es die auch als Ceiling Lamps und valerie_objects ist für die Fertigung vieler der älteren Entwürfe zuständig. Darunter befinden sich nicht nur die skizzenartigen Leuchten, sondern unter anderem auch der zart wirkende, aber sehr robuste Rocking Chair und die Wooden Tables. Aus der Zusammenarbeit mit wiederum HAY stammt die erfolgreiche Arcs Kollektion, die mit ihrer eleganten Silhouette und den namensgebenden Bögen überzeugt, die Vasen, Leuchten, Kerzenhalter, Spiegel und einen Trolley schmücken. Außerdem frönt das belgische Designduo der Kunst der Farbkombination mit den Two Colour Tischen und den Colour Cabinets.
Ihr Gespür für Farbe und Materialitäten haben Muller van Severen außerdem bisher unter anderem für Kvadrat Textiles, Bitossi und CC Tapis unter Beweis gestellt. Und wer weiß, welches Produkt die beiden demnächst zeigen werden. Ob in Eigenregie oder in Zusammenarbeit mit großen Herstellern, die beiden Entwerfer arbeiten sicher schon wieder an neuen spannenden Objekten.
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