Raffiniert gemacht und von einer vornehmen Bescheidenheit: Der ess.tee.tisch von horgenglarus ist einer der wenigen Tische unter den Schweizer Designklassikern. Höhenverstellbar und zeitlos im Design ist er ein Paradebeispiel für das gelungene Zusammenspiel von Design und Ingenieurwesen. Seit 2014 legt horgenglarus den Tisch von Jürg Bally als Re-edition neu auf – leicht überarbeitet und zur Serienreife gebracht in Zusammenarbeit mit Daniel Hunziker.
ess.tee.tisch – ein seltenes Original neu aufgelegt
Der ess.tee.tisch von Jürg Bally steht für zeitlos gültiges Design: Funktional, technisch und ästhetisch. Dabei ist der Entwurf aus dem Jahr 1951 alles andere als ein Standardmöbel. Eine ausgefallene Mechanik ermöglicht es, den Tisch in zehn verschiedenen Höhen zu verstellen. In der niedrigsten Einstellung ist er ein Bestell- oder Couchtisch, in der obersten ein komfortabler Esstisch.
Der Name gibt einen Einblick in den Sprachwitz von Bally, denn durch die Höhenverstellung wird er vom Esstisch (“Ess-Tisch”) zum Couchtisch (“Tee-Tisch”), was sich eindeutig nach “Ess-Tee-Tisch” anhört. Inspiriert wurde er von Hans Bellmanns dreibeinigem “Kolonialtisch” aus dem Jahr 1944. Jürg Bally schuf mit seinem “Hubtisch” (so der Name im Volksmund) eine Antwort auf die veränderten Lebensbedingungen und die zunehmende Mobilität, die auch heute noch aktuell ist.
Jürg Bally: Tüftler und Entwerfer
Der Architekt, Innenarchitekt und Designer Jürg Bally war ein Tüftler. Sein Beitrag zum Thema Wohnen besteht in der Entwicklung einiger wandelbarer und leichter Möbel, die er als Antwort auf die veränderten Wohnverhältnisse und die steigende Mobilität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert entwarf.
Nach seinem Studium der Architektur an der ETA Zürich zog es ihn nach Kanada und dann weiter in die USA, wo er in New York als freier Designer für Knoll International arbeitete. 1954 kehrt er zurück in die Schweiz, wo seine Karriere beginnt, die sich um Einrichtung ganz allgemein und um Möbelentwurf im speziellen dreht. Innerhalb dieser thematischen Klammer bewegte er sich auf unterschiedlichen Terrains: Entwürfe von Wohn- und Büromöbeln, von Inneneinrichtung und Mobiliar für private Räume, Gastronomie, etc. gehören zu seinem Portfolio. Und Inhaber eines eigenen Einrichtungsgeschäftes war er auch.
Das Spiel mit der Multifunktion faszinierte den Schweizer Designer und Innenarchitekten Jürg Bally von Beginn an. Ica Bally beschreibt ihren Mann als einen Entwickler. Ständig in Gedanken und auf der Suche nach neuen, sinnvollen Lösungen. Mit Konstruktionen zu experimentieren und leichte bewegliche Möbel zu entwickeln, lag ihm am Herzen. Standardmöbel fand er bereits in den 60er Jahren völlig überholt. Jürg Bally wollte Antworten auf die veränderten Wohnverhältnisse und steigende Mobilität liefern.
Ästhetisch und flexibel – der Weg des ess.tee.tisches
Die Konstruktion des ess.tee.tisches ist simpel wie genial: Eine massive runde Tischplatte ruht auf drei überkreuzten Beinen, die durch ein bewegliches Stiftscharnier verbunden sind. Der Verstellmechanismus funktioniert, ohne die Tischplatte leer räumen zu müssen. Der ess.tee.tisch bleibt stets in einer stabilen, sicheren Position, während er in der Höhe angepasst wird. Mit einem Hebel unter der Tischplatte wird durch Federkraft ein Stahlband in einer Trommel auf- und abgerollt. Während sich die Beine in den Schienen unter der Tischplatte treffen oder trennen, hebt oder senkt sich der Tisch in zehn Stufen von 72 bis 40 Zentimetern vom Ess- zum Couchtisch.
Der “Hubtisch”, wie er auch genannt wurde, ging 1951/54 bei der “Werkgenossenschaft Wohnhilfe” in Serie. Nach 1968 übernahm Bally selbst die Produktion und den Vertrieb, zum Beispiel in seinem Zürcher Möbelhaus. Der ess.tee.tisch wurde zu Jürg Ballys prominentestem Entwurf. Der offizielle Prototyp von 1950 ist heute in der Sammlung des Zürcher Designmuseums ausgestellt. 1955 wurde er vom Schweizerischen Gewerbeverband mit dem Preis “Die gute Form” ausgezeichnet.
In Deutschland fertigte der Verband für Wohnkultur eine Version mit schwarz lackierten Metallbeinen. Seit 2014 wird der ess.tee.tisch nach einem einjährigen Entwicklungsprozess wieder produziert. In Zusammenarbeit mit der Familie Bally und dem Designer und Ingenieur Daniel Hunziker entwickelte horgenglarus eine Neuauflage, deren Technik einem Schweizer Uhrwerk gleicht. Mehr als 60 Jahre nach dem ersten Entwurf von Jürg Bally erreicht der ess.tee.tisch somit das 21. Jahrhundert.
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