Lasse kommt, wie sein Label Form&Refine auch, ursprünglich aus Dänemark. Momentan aber lebt er mit seiner Familie in München. Wir treffen uns zum Interview online – so wie man das in diesen Zeiten eben so macht – auf einen Frühstückskaffee im Videocall.
Als gelernter Industriekaufmann kam er nach dem Studium als Control Manager zu Skagerak. Dort war er mit der Zeit verantwortlich für den Vertrieb in Deutschland, Europa und schließlich weltweit. Nach 10 Jahren beim Gartenmöbelhersteller aber brauchte er einen Szenenwechsel. Und hier beginnt sich langsam sein eigenes Label Form & Refine zu entwickeln.
Über Monate reist er mit seiner Frau durch Latein- und Südamerika. In Bolivien entdeckt er Alpakawolle, Bauernkollektive und die Handwerkstraditionen um diesen flauschigen Werkstoff. Und er denkt: Damit muss man etwas machen. Zurück in Dänemark begegnet er zwei alten Bekannten, Helle Herman Mortensen und Jonas Herman Pedersen aka. Studio Herman. Und so beschließen die drei, ein eigenes, nachhaltiges Label zu gründen, dessen Fokus auf der Bewahrung lokaler Handwerkstraditionen und natürlichen Materialien liegt.
Im Gespräch mit Lasse Lund Lauridsen verrät der Form&Refine Gründer uns, warum Nachhaltigkeit auch mit sozialer Verantwortung zusammenhängt und welches Alter das Beste ist, um Eichen zu ernten.
Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung bei Form&Refine
DBS: Mit eurem Label Form&Refine zeigt ihr, dass modernes dänisches Design und sowohl Umwelt- als auch soziale Verantwortung kein Widerspruch sind. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in eurer Designphilosophie?
LLL: “Nachhaltigkeit ist eines unserer Grundprinzipien. Als wir Form&Refine 2018 ins Leben riefen, sind wir explizit mit der Idee gestartet, langlebige Produkte zu schaffen, die schöne und ursprüngliche Materialien in den Fokus rücken. In Bolivien habe ich damals die Alpakawolle entdeckt, ein sehr ursprüngliches, lokales Material, dass tolle Eigenschaften hat und seit Jahrhunderten von kleinen Manufakturen verarbeitet wird. Nur leider oft für kitschige Touristensouvenirs. Von dort habe ich ein paar Decken mit nach Hause genommen und eine ungefähre Idee.
Nämlich die, dass man diesen Werkstoff nicht nur von kleinen Bauernkooperativen bezieht, sondern auch schöne, zeitlose Produkte vor Ort daraus herstellen lässt. Weil die Spinnereien und Webereien vor Ort ein Know-How haben, das es woanders so nicht gibt. Wir wollen nicht nur das Material nutzen, sondern auch Handwerkstraditionen erhalten. Und globale Handelsketten brechen bzw. stark verkürzen. Ich sehe diese Verantwortung, die man als Hersteller hat, auch als wichtigen Teil der viel beschworenen Nachhaltigkeit.”
Ihr setzt auf ehrliche Materialien und traditionelle Handwerkstechniken – ist das einfach typisch Form&Refine oder eine Konsequenz aus der dänischen Designtradition?
“Das stimmt schon, in Dänemark wachsen wir von Kindesbeinen an auf mit einer sehr bestimmten Ästhetik, die sich auch auf Materialität und Handwerk bezieht. Jacobsen, Mogensen und Risom sind gängige Begleiter in der dänischen Einrichtung. Wir wollen aber keine Klassiker neu auflegen, sondern eigene lebenslange Begleiter in Möbelform schaffen. Wir lassen uns gerade beim Möbeldesign gerne Ideen von klassischen Stücken geben, aber Upgrades gehören dann auf jeden Fall dazu.”
Wer steckt eigentlich hinter den Designs? Habt ihr ein eigenes Designteam oder arbeitet ihr mit freien Designstudios zusammen?
“Helle und Jonas sind mit ihrem Studio Herman keine ganz unbekannten Designer in Dänemark. Und zusammen sind sie zwei Drittel von Form&Refine. Klar also, dass sie das Gros der Designs verantworten. Jonas ist der kreative Kopf hinter vielen unserer Möbeldesigns, während Helle als Art Director die ästhetische Richtung von Form&Refine definiert. Wir arbeiten auch mit externen Designern zusammen. Die kennen unsere Grundsätze und arbeiten dann mit den Materialien, die wir nach bestem Wissen und Gewissen nutzen. Aber oft stammen die Entwürfe eben von Studio Herman.”
Hast du selbst ein Lieblingsprodukt?
“Oh, das ist schwer sich da zu entscheiden. Der Angle Hocker ist ein Produkt, das für mich besonders ist. Weil wir einen Hocker gestalten wollten, aber es einfach auch schon so viele Hocker gibt. Da ein neues Design und eine originelle Form zu ersinnen ist schwer. Wir wollten außerdem nichts Rundes. Und so wurde es ein Hocker mit abgeschrägter Sitzfläche, der als Sitzmöbel, Ablage und Objekt funktioniert. Er ist erstaunlich bequem und lässt sich einfach zusammenklappen. Beim Material haben wir wie immer auf hochwertiges Holz gesetzt, plus ein Streifen Leder und Messingdetails. Für mich ein zeitloses Produkt, das absolut langlebig ist.”
Bei den Möbeln nutzt ihr konsequent helle Hölzer aus europäischen Wäldern. Bei den Accessoires seid ihr nicht ganz so streng. Portugiesischer Ton und bolivianische Wolle für dänische Designs – warum setzt ihr auf diese Materialien?
“Beim Gedanken an nachhaltige Materialien denken wir natürlich sofort an Holz. Unser Holz stammt etwa zur Hälfte aus einer Forstwirtschaft in Fyn/Dänemark. Die Eichen, die dort geerntet werden, sind ca. 140 Jahre alt. Das ist genau das richtige Alter, um sie zu fällen, weil die meisten der Bäume danach anfangen zu sterben – mit Ausnahme der riesigen Ewigeichen. Die lassen wir aber natürlich stehen, solche Giganten sind keine Holzquelle sondern ein Naturdenkmal. Warum ausgerechnet so altes Holz? Nun, weil junges Holz nicht widerstandsfähig ist. Und massive Hölzer halten quasi ewig. Das beste Beispiel ist da der Shoemaker Hocker. Der ist ein Möbel für Generationen.
Aber nicht alle unsere Materialien bekommen wir lokal. Bei der Wolle der Alpakas geht es zum einen um die Gewinnung der Wolle und Herstellung der Produkte vor Ort in Bolivien, aber auch um die Eigenschaften des Materials. Die hochwertige Wolle gilt als das Gold der Inka und ist in ihrer Reinform sehr gut wärmend. Mischt man das aber mit anderen Wollarten und Fasern, geht diese Eigenschaft verloren. Deshalb haben wir uns entschieden, trotz der relativen Entfernung, die Alpakawolle aus Bolivien zu verwenden. Die kommt von einer kleinen Bauernkooperative, die faire Preise bekommen und in lokalen Manufakturen zum fertigen Produkt verarbeitet wird. Die Produktionswege sind also tatsächlich ziemlich kurz und wir unterstützen damit die Menschen vor Ort.”
Viele Labels entdecken Recyclingmaterialien für sich, sei es Papier, Glas oder auch Kunststoff. Ist das auch eine Option für Form&Refine?
“Unser Fokus liegt aktuell noch nicht auf Recycling. Wir verwenden Recyclingmaterialien eigentlich nur bei der Verpackung. Da setzen wir auf Recyclingkarton. Eine Ausnahme ist die Leaf Serie, die aus Holzabfällen aus der Möbelindustrie gefertigt wird. Weil gerade in der High End Möbelfertigung einiges an Material übrigbleibt, zum Teil bleibt fast 50% des Holzes als Abfall zurück, haben wir mit Designer Jonas Lutz ein Regal entwickelt, das diese Reste nutzt. Darum ist es auch so schmal und in seinen Dimensionen festgelegt. So edle Hölzer nicht für etwas Sinnvolles, Schönes zu nutzen, wäre Verschwendung.”
Covid-19 geht auch an der Möbel- und Designbranche nicht spurlos vorbei. Habt ihr selbst Auswirkungen in eurer Arbeit gespürt?
“Tatsächlich sind wir bisher ganz gut verschont worden. Wir haben den Launch eines neuen Lounge Chairs zwar pausiert, konnten aber dennoch großteils weiterproduzieren. Wir haben also mit unseren Werkstätten etwas fürs Lager vorproduziert und die Zeit außerdem fürs Backoffice genutzt.”
Welche Pläne für die Zukunft von Form&Refine habt ihr?
“Bisher findet man unsere Produkte meist in privaten Räumen. Wir hätten aber auch Lust aufs Objektgeschäft. Ein Restaurant ausstatten oder etwas im Hotelbereich umsetzen. Das ist bei der aktuellen Lage aber noch Zukunftsmusik.”
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[…] Die Krüge und Vasen bekommen von lokalen Töpfern nur wenige Kilometer von der Tongrube entfernt ihre Form verpasst. Und das Eichenholz stammt aus einem dänischen Wald, in dem die Bäume 140 Jahre lang ungestört wachsen durften. Das Ergebnis sind langlebige, zeitlose Designmöbel, die verdeutlichen, was Kriterien der Nachhaltigkeit alles möglich machen können. Noch mehr Infos über die enge Verbindung des Labels mit dem Thema Nachhaltigkeit, verriet Gründer Lasse Lund Lauridsen uns im Interview. […]