Furnitecture – Möbel und Architektur treffen immer wieder aufeinander und kreieren die interessantesten Designs. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts stellen sich Möbeldesigner immer wieder der Herausforderung, Möbel zu kreieren, die mit ihrer Umgebung interagieren. Und immer wieder kommt es vor, dass Architekten sich der dem Möbeldesign widmen, um für die von ihnen geschaffenen Räume die passenden Akteure für den Innenbereich zu bekommen. Darunter sind Größen wie Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe, die als gestalterische Multitalente mehrere Disziplinen beherrschten und sich scheinbar fließend zwischen Architektur und Design bewegten. Die Mehrzahl der Gestalter tobt sich dennoch zumeist auf einem der verschiedenen Spezialgebiete aus und versucht stattdessen, Aspekte und Prinzipien des jeweils anderen Bereiches einzubringen.
Interessante Weise haben Architektur und Möbel die gleiche Funktion, wenn man es auf die simple Idee herunterbricht: die dritte Dimension des Raumes, nämlich die Vertikale, zu erhalten, zu unterstützen und zugänglich zu machen. Oder kurz gesagt: einen geschützten Wohnraum zu schaffen – wenn auch mit scheinbar unterschiedlichen Mitteln.
Furnitecture – Möbel und Architektur
Als es im 20.Jahrhundert modern wurde, das Tragwerk und die bauliche Struktur von Gebäuden sichtbar zu machen, das ja gar zum prägenden ästhetischen Stilelement heranwuchs, wurde die Verbindung von Architektur und Möbeldesign besonders eng. Die Möbel sollten das Gebäude widerspiegeln, sowohl technisch als auch funktional und optisch. Als Architekt und Designer Charles Eames in den 1940er Jahren an den Case Study Houses arbeitete, befasste er sich parallel dazu auch immer wieder mit der möglichen Einrichtung der Häuser. In diesen Zeitraum fällt die Entwicklung des ESU, der Eames Storage Unit – ein Schranksystem, dass die Struktur und Materialien der modernen Häuser aus Stahl und Sperrholz in sich vereint.
Die Modulmöbel von USM Haller treiben diese Symbiose von Struktur und Form auf die Spitze. Ihr Gerüst aus Stahlrohr und die typischen USM Knoten erlaubt den klaren Blick auf die technische Konstruktion. Durch das Baukastenprinzip kann jedes Möbel der Reihe individuell konfiguriert werden. Als USM sich die Modulserie Haller patentieren ließ, waren Möbel aus Stahl übrigens im privaten Wohnraum ein Novum. Bei Werkstattmöbel war das Material hingegen bereits etabliert. Da wundert es auch nicht zu erfahren, dass die Möbel ursprünglich als Werkstatteinrichtung erdacht wurden. Letztlich sind USM Haller Regale aber doch zu schön, um unter Holzspänen und Metallstaub zu verschwinden.
Wackelnde Regale und stapelbare Boxen
Auch ES von Moormann, nach einem Design von Konstatin Grcic, lässt freie Sicht auf die Regalkonstruktion. Der Designer aber spielt auf humorvolle Art mit dem Prinzip der Stabilität und Statik, einem der Grundpfeiler der Architektur. Das Regal aus Rundhölzern und Multiplexplatten scheint regelrecht schief zu stehen – und doch liegen die Regalbretter waagerecht und können größere Lasten tragen.
Regale sind ein beliebtes wie offensichtliches Beispiel für Furnitecture – die Vermischung von Möbeln und Architektur. Auch Muutos Regalsystem Stacked kann hierzu gezählt werden, wobei es weniger um sichtbare Rahmen und das Tragwerk geht, als um Blöcke und Module. Durch diese Bauweise lässt sich das Regal ständig durch wegnehmen, hinzufügen oder umsetzen eines Elementes umgestalten. Die unterschiedlichen Blöcke richten sich in ihrer Größe nach dem Inhalt, den sie beherbergen.
Auch beim Regal Random von MDF Italia liegt der Fokus der Konstruktion nicht auf dem Container, sondern auf dem Inhalt. Die Designer Eva Paster und Michael Geldmacher brechen mit der Tradition, Bücher auf waagerechten Regalfächern zu präsentieren, und „bauen“ stattdessen in die Höhe. Unterschiedlich hohe und breite Regalfächer mit vertikaler Anordnung sind das Ergebnis. Hinzu kommt, dass die Bücher durch die ausschließlich in weiß erhältlichen Regale die Hauptrolle im Regal spielen. Denn auch das ist Architektur: den Bewohner des Raumes ins Zentrum rücken. Random überträgt dieses Credo erfolgreich auf das Bücherregal.
Furnitecture bringt Mensch, Möbel und Gebäude zusammen
Deutlich massiver aber nicht weniger interessant ist der Tisch SK 1 Monolith von JANUA. Dieser Tisch symbolisiert die rohe Kraft der Natur und verbindet sie dank seiner raumgreifenden Maße mit flächiger Architektur. Dieser Tisch braucht Raum, gibt ihn umgekehrt aber auch. Architektur als Ort der Zusammenkunft von Menschen, das ist eine ihrer wichtigsten Funktionen. Meinhard von Gerkan, einer der weltweit erfolgreichsten Architekten, sieht das ähnlich und hat den Monolith von JANUA deshalb als zentralen Begegnungsstätte für sein Haus an der Elbchaussee gewählt. Die lange Tafel aus Massivholz bereichert nun das Architektenhaus, ohne von dessen eigensinniger Architektur abzulenken.
Wie der Tisch zu Meinhard von Gerkan kam und wie aus dem hölzernen Rohling mit 250 Kilogramm Gewicht das fertige Endprodukt wird, hat die Möbelmanufaktur in diesem kurzen Film dokumentiert.
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