Es gibt diese kleinen und mittelgroßen Manufakturen in den verschiedensten Branchen. Solche, die seit Jahrzehnten ihr Können täglich aufs Neue unter Beweis stellen und unbeirrt Qualität liefern. Die darum kein großes Aufheben machen und zu den besten ihrer Klasse gehören. Horgenglarus ist so ein Unternehmen. In der Schweiz kennt die Möbel des Holzmöbelfabrikanten fast jede:r, weil die Stühle und Tische dort heute quasi omnipräsent sind. Grund dafür ist aber nicht etwa eine erfolgreiche Werbekampagne, sondern allein die Qualität der Produkte.
Serielle Fertigung und Tradition aus Horgen und Glarus
Horgenglarus ist die älteste Stuhl- und Tischmanufaktur der Schweiz. Ihren Anfang nimmt die Erfolgsgeschichte in Horgen bei Zürich, wo die Möbelfabrik 1880 von Emil Baumann gegründet wird. Baumann setzte es sich zum Ziel, die serielle Herstellung von Mobiliar auf höchstem Qualitäts- und Gestaltungsniveau in der Schweiz zu etablieren. Als Ausgangsbasis dient ihm die sich gerade in Deutschland und Österreich ausbreitende Bugholztechnik, die er in der Schweiz weiterentwickelt und perfektioniert. Das Biegen von Holz unter Dampf ergänzt die traditionelle Tischlerarbeit und ist ein wichtiger Schritt für die serielle Möbelherstellung.
Während der Belle Époque um die Jahrhundertwende genießt auch Baumanns Möbelmanufaktur den wirtschaftlichen Aufschwung und erweitert die Produktion 1902 um einen neuen Standort in Glarus. Fortan werden in Horgen die gesägten Stühle gefertigt, während in Glarus Möbel aus Bugholz im Zentrum der Arbeit stehen. Bis zur Zusammenführung der Produktionsorte sollen noch einmal mehr als 40 Jahre vergehen. Seit 1948 befinden sich Manufaktur und Firmensitz gemeinsam in Glarus.
Gepflegte Entwurfskultur
Man kann über horgenglarus nicht schreiben, ohne auch die Entwurfskultur des Unternehmens zu erwähnen. Ein Modell mit Kultstatus trägt den simplen Namen classic, ein Werksentwurf von 1918, der den Archetyp eines sachlichen Holzstuhls vertritt und seither fester Bestandteil des Möbelprogramms von horgenglarus ist. Das Modell classic steht vielleicht nicht in jeder Schweizer Küche, aber jede:r Schweizer:in kennt diesen Stuhl. Mindestens einen berühmten Fan haben diese Stühle schon recht bald auf ihrer Seite: Le Corbusier präsentiert die Stühle der Möbelmanufaktur auf der „Exposition internationale des Arte décoratifs“ 1925 in Paris und hebt sie als Beispiele für eine zeitgemäße und zukunftsweisende Auffassung von Wohnkultur hervor.
Geschätzte Entwerfer: Haefeli, Wettstein, Bally und Co
Horgenglarus steht für hohe Ansprüche an Design, Ausführung und Dauerhaftigkeit, was in dem vergangenen Jahrhundert einige der bedeutendsten Schweizer Möbeldesigner nach Glarus lockte, um hier ihre Möbelentwürfe zu realisieren, darunter Werner Max Moser, Hans Bellmann und Max Ernst Haefeli. Doch kaum einen Entwerfer verbindet eine solche enge Beziehung mit der Möbelmanufaktur wie Hannes Wettstein. Der multidisziplinär arbeitende Autodidakt und das Traditionsunternehmen beginnen Ende der 1990er Jahre eine Zusammenarbeit, die sich als besonders fruchtbar erweisen sollte.
Wettstein überarbeitet einige der Stuhlmodelle der Manufaktur, bevor diese 1999 das Sitzmöbel miro von Wettstein lanciert, eine überarbeitete Version eines Stuhls von 1950 aus dem Werksarchiv. Dessen komfortable Weiterentwicklung, lyra szena von 2007, ist auch bei uns im Shop erhältlich und Teil eines umfassenden Möbelsystems, zu dem neben Stühlen auch ein Barhocker und ein Tisch gehören. Das Alleinstellungsmerkmal dieser Serie ist ihre Fähigkeit, sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen und Maße in viele Einrichtungs- und Architekturstile einfügen zu lassen.
Kein Stuhl, aber eine Schweizer Ikone, ist der S.T. Tisch von Jürg Bally, den horgenglarus in einer überarbeiteten Version seit 2014 als ess.tee.tisch fertigt. Eine clevere Mechanik ermöglicht es, den dreibeinigen Tisch in der Höhe zu verstellen. In der niedrigsten Einstellung ist er ein Beistell- oder Couchtisch, in der obersten ein komfortabler Esstisch. Der tisch ist Jürg Ballys Antwort auf die veränderten Wohnverhältnisse und steigende Mobilität der damaligen Zeit. Die Konstruktion ist so simpel wie genial: Eine Tischplatte liegt auf drei gekreuzten Beinen mit einer beweglichen Verbindung.
Horgenglarus kommt von Handwerk
Der Name horgenglarus gibt primär Aufschluss über die Region, aus der die Firma kommt: Horgen bei Zürich und Glarus im gleichnamigen Kanton. Aber ohne das handwerkliche Können aus über 100 Jahren Erfahrung gäbe es den ältesten Holzmöbelspezialisten der Schweiz wahrscheinlich gar nicht mehr. Die Verbindung von Form und Funktion stehen beim Entwurf im Mittelpunkt, das Handwerk aber ist das Herz der Stühle und Tische. Die trendbeständigen Produkte sind lebenslange Begleiter für ganze Generationen, weil horgenglarus mit Leidenschaft Präzisionsmöbel auf höchstem Niveau fertigt. Die einzigartige Kombination aus Produktionstechnologie und hochspezialisiertem Handwerk ist eine Art Gegenentwurf zur Massenfertigung und Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer, die die Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahrzehnte kennzeichnet.
Horgenglarus fertigt durchgehend und ausschließlich in der Schweiz. So basieren das Wissen und Können der Handwerker auf mehr als 140 Jahren Erfahrung. Hier können auch schwere Hölzer zu Rücken, Zargen und Beinen gebogen werden – weil das Knowhow seit Jahrzehnten im Unternehmen vorhanden ist. Sämtliche Stühle und Tische werden von Hand geschliffen, bis das Holz samtweich ist. Dennoch ist Tradition nichts, worauf man sich hier ausruht. Das Handwerk wird an den entscheidenden Stellen durch modernste, teil CNC-gesteuerte Technik unterstützt.
Die Zeitlosigkeit des Entwurfs, die herausragende Herstellungsqualität und die regional bezogenen Materialien bilden das Fundament, auf dem der Erfolg der ältesten Stuhl- und Tischmanufaktur der Schweiz beruht. Und dass das äußerst stabil ist, beweist allein schon die Tatsache, dass es das Unternehmen seit 1880 gibt. Sehr erfolgreich, ohne viel Werbung und Brimborium, weil die Möbel für sich sprechen. Von Dauer, elegant und ehrlich – wie das die treuesten Begleiter im Leben eben sind.
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