Jean Prouvé zählt im Bereich des Designs, der Architektur und der Ingenieurkunst zu den vielseitigsten und Innovativsten Köpfen des 20. Jahrhunderts. Der 1901 in der französischen Hauptstadt geborene Prouvé zählte einige seiner bekanntesten und bedeutendsten Zeitgenossen zu den Bewunderern seines einzigartigen Werks, darunter den Schweizer Architekten Le Corbusier. Er entwarf vom Brieföffner über Tür- und Fensterbeschläge, Leuchten und Möbel bin hin zu Fertighäusern so ziemlich alles, was sich zur damaligen Zeit industriell fertigen ließ. Vitra schenkt der Prouvé Kollektion, für die die Schweizer seit 2002 die Vertriebsrechte besitzen, ein Farb- und Produktupdate, das sicher ganz im Sinne des herausragenden Konstrukteurs gewesen wäre.
Jean Prouvé – der große Konstrukteur
Es ist einer dieser typischen feucht-kalten Novemberabende, an dem unsere Kolleg:innen vom Mathes Einrichtungshaus und Vitra zu einer Vorstellung der überarbeiteten Kollektion geladen, die neben neuen Farben und Stoffen auch bisher nicht bekannte Entwürfe Jean Prouvés beinhaltet. Das Farbschema des Abends ist vergleichsweise kühl: Grün- und Blautöne sind immer wieder auf der Fläche im Einrichtungshaus zu sehen. Das liegt vor allem daran, dass die Ergänzungen der Prouvé-Palette sich insbesondere auf dieser Farbskala bewegen.
Besonders das neue Bleu Marcoule blitzt immer wieder hervor. Die Farbe bezieht sich auf einen wichtigen Kunden Prouvés, der bei den Ateliers des Designers eine große Auswahl an Möbeln bestellte. An diesem Abend erfahren wir mehr über die historische Relevanz des leidenschaftlichen Designers und Architekten Jean Prouvé, aber auch über die neuen Farben und bisher unbekannten Produkte.
Liebe zur Konstruktion und Farbe als Werkzeug
Das Besondere an Jean Prouvé war, dass er einen völlig selbstbestimmten Einstieg in die Designpraxis suchte. Er war ausgebildeter Kunstschmied, arbeitete zunächst in der Metallverarbeitung und entwickelte dann mit seinem 1931 gegründeten Atelier einen eigenen Fokus auf Gebrauchsmöbel und Wohnlösungen. Hier experimentierte Prouvé mit Materialien wie Stahl und Aluminium und verband in seinen einzigartigen Entwürfen Aspekte der Funktionalität, Materialechtheit, Ökonomie und Ökologie. Spannender Weise sieht man seinen Entwürfen die Prägung des Designers und Architekten durch seine Arbeit in der Metallverarbeitung und Flugzeugkonstruktion an.
Das Design seiner Möbel und Wohnlösungen basiert immer auf den Prinzipien der Einfachheit und Kombination. Konstruktionen sind bei Prouvé immer die Summe einzelner Elemente. Und zwar so, dass man das nicht nur nicht kaschiert, sondern auch hervorhebt. Eines der Mittel zum Hervorheben ist Farbe. Deshalb unterscheiden sich bei ihm meist Tischplatte und Beine, Sitzfläche und Gestell etc. in Material und Farbe voneinander. Prouvé verstand die Bedeutung und Tiefe von Farben. Die Farben, die er sowohl für seine Möbelentwürfe als auch für seine Architektur entwickelte, bezogen sich auf unterschiedliche Referenzen.
Durch die Farben wird unterstrichen, aus welchen Elementen sich das „Design“ zusammensetzt. Die Entscheidung bei Vitra, dem Prouvé Portfolio neue Farben hinzuzufügen, dürfte deshalb auch dem 1984 in Nancy verstorbenen Konstrukteur gefallen haben. Mit den neuen Farben werden die Designs, vom Standard Chair bis zum EM Table, aktuell gehalten. Allerdings war er auch strikt der Meinung, dass nur lackiert werden sollte, was zu korrodieren drohte, weshalb er Elemente aus Holz und Aluminium möglichst in unbehandeltem Zustand beließ. Farbe war primär ein nützlicher Rostschutz, wenn auch nicht nur.
Design mit Flugzeugbauteilen
Aber noch mehr macht die Entwürfe Jean Prouvés so besonders. Die Möbel von Jean Prouvé sind von einem künstlerischen Bewusstsein geprägt, das sich in den Details, Schweißnähten und den Materialitäten selbst ausdrückt. Ein Paradebeispiel dafür ist sein vielleicht bekanntester Entwurf, der Standard Stuhl.
Der Entwurf von 1934, der im Laufe der Zeit perfektioniert wurde, bis es 1950 zum Klassiker wurde, hat sich zu einem unaufdringlichen Stuhlklassiker entwickelt, der in seinen Neuauflagen in Wohnräumen auf der ganzen Welt zu finden ist. Einfache Strukturen und eine lineare Anordnung sind die prägenden Elemente der Prouvé’schen Entwürfe. Sie bestreiten seinen hohen Wiedererkennungswert ebenso wie die oft aus dem Flugzeugbau entlehnten Formen und Materialien, aus denen sich seine Bauten und Möbel zusammensetzten. So wie beim Standard Chair, dessen Hinterbeine aus Flugzeug-Wings bestehen, die so typisch sind für Prouvé.
Weitere bekannte Designs von Jean Prouvé sind: Cité Sessel, EM Tisch, Schreibtisch Compas Direction, Fauteuil de Salon und die Potence Leuchte. Sie alle tragen die unverkennbare Handschrift des begnadeten Konstrukteurs.
Frischer Anstrich für Klassiker und vergessen geglaubte Schätze
Im Rahmen der jüngsten Zusammenarbeit legt Vitra vier Entwürfe von Jean Prouvé neu auf: Abat-Jour Conique, ein konischer Lampenschirm, den Prouvé 1947 für die Wandleuchte Potence entwickelte, die beiden Hocker Tabouret N° 307 und Tabouret Métallique sowie das Wandregal Rayonnage Mural. Außerdem bekommt die Farbpalette eine Überarbeitung um einige der ursprünglichen Prouvé-Farben. Zu den bisherigen Optionen Tiefschwarz, Japanrot und Blanc Colombe kommen Gris Vermeer, Bleu Dynastie, Blé Vert und Bleu Marcoule sowie die Variante Métal Brut in unlackiertem Stahl.
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