Man sollte meinen, in der Welt des Interior Designs schon fast alles gesehen und gelesen zu haben. Aktuelle jedoch mischt ein neues Konzept die Einrichtungswelt ein wenig auf: Neurodesign. Was sich dahinter verbirgt und wieso es vielleicht gar keine schlechte Idee ist, bei der Einrichtung nicht nur auf die Optik zu achten, damit beschäftigen wir uns jetzt.
Neurodesign, was ist das eigentlich?
Im Grunde ist es ein Konzept, dass zwei Disziplinen zusammenführt, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam haben. Neurodesign verbindet Neurowissenschaft mit Design. Wissenschaft mit Kreativität und dem alltäglichen Leben. Die schwedischen Autorinnen Isabelle Sjövall und Katarina Gospic haben dazu ein Buch (Neurodesign: inredning för hälsa, prestation och välmående) verfasst, in welchem sie die Wirkung von Farben, Texturen und Räumen auf unser Gehirn, unsere Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden beleuchten. Ihre Qualifikation: eine ist Innenarchitektin und die andere Neurowissenschaftlerin.
Bei Neurodesign geht es darum, wie unser Gehirn und die Psyche auf die Umgebung reagiert und wie unterbewusst alle Sinne angesprochen werden. Kurz gesagt, es zeigt, wie wichtig Design wirklich ist. Beim Einrichten geht es um das Verwandeln und die Umgestaltung von Räumen. Neurodesign erklärt, wie der Mensch sich dadurch fühlt und wie der Körper und das Gehirn darauf reagieren. Die meiste Zeit verbringt der Mensch drinnen. Deshalb ist es so wichtig, dass diese Räume für uns auch funktionieren. Ein Wohnraum erfüllt eine andere Funktion, als ein Büro. Das beide verschieden gestaltet werden, ist deshalb nur logisch. Neurodesign wirft einen Blick darauf, welche Gestaltungsmittel entspannend wirken, welche die Kreativität anregen und warum Farben so elementar im Interior Design sind.
Schönheit mit allen Sinnen erleben
Viele Menschen machen sich beim Einrichten keine Gedanken darüber, wie sie sich in einem Raum fühlen werden. Sie wissen bloß, dass sie schöne Räume langweiligen vorziehen. Das hat mit der Wahrnehmung von Schönheit zu tun. Der Mensch umgibt sich gern mit Dingen, die er schön findet. Ästhetik lautet das Zauberwort. Dieser Begriff aber beschreibt eigentlich nur das instinktive Verlangen des Menschen nach Balance. Wir als Menschen finden schön, was ausbalanciert, symmetrisch und in gewisser Weise überdurchschnittlich durchschnittlich ist. Das Gehirn bestimmt dabei unterbewusst, was wir ästhetisch ansprechend finden – und was nicht. Botenstoffe im Gehirn spielen dabei eine zentrale Rolle, aber auch Sehgewohnheiten.
Einrichten nach Neurodesign
Ein Raum wird dann zum Wohlfühlort, wenn alle Sinne positiv angesprochen werden und das Design über das Visuelle hinausgeht. Einrichten ist nicht einfach nur dekorieren, der Raum und der Mensch werden als gemeinsames Ganzes betrachtet. Es geht beim Neurodesign nicht nur darum, schöne Räume zu erschaffen, sondern ihr Potenzial zu nutzen und das Leben etwas zu verbessern.
Beim Neurodesign wird der Wirkung der Farbe eine große Bedeutung zugesprochen. Verschiedene Farben stimulieren unterschiedliche Reaktionen des Gehirns. Farben im Raum werden mit Farben in der Natur assoziiert: Blau mit dem weiten Horizont, Dunkelblau entspricht der Tiefe des Meeres, Gelb repräsentiert Wärme, etc. Diese Assoziationen der Farben beeinflussen auch, wie wir uns fühlen. Blau soll den Herzschlag beruhigen und damit eine entspannende physiologische Wirkung haben. Rot wiederum soll anregend wirken und einen Energieschub auslösen. Diese Effekte werden beim Neurodesign für die Einrichtung von Räumen aktiv genutzt. Im Büro rot, im Schlafzimmer blau. Der Zweck eines Raumes soll durch seine Gestaltung hervorgehoben werden. Das Ziel dabei ist es, die Räume zu verbessern, damit sich der Mensch darin wohler fühlt.
Neurodesign: 7 Tipps für Haus und Hirn
1.Natürliche Farben fürs Zuhause wählen
Eine farblich neutrale Basis bietet die meisten Möglichkeiten und Flexibilität für die Einrichtung. Das ist außerdem langlebig, weil losgelöst von wechselnden Trends. Weiche, naturnahe Nuancen können leicht mit Details und Akzenten in starken Farben kombiniert werden. Erdige Farben, die außerdem gerade immer häufiger zu sehen sind aus einer neurodesign Perspektive eine ausgezeichnete Wahl. Die stören weder das Auge noch regen sie das Hirn sehr an. Sie erleichtern außerdem das Kreieren eines ausbalancierten Ganzen.
2.Auf Blau und Grün im Schlafzimmer setzen.
Blau wirkt beruhigend, grün entspannend, beides sind Farben, die in der Natur allgegenwärtig sind. Blau eignet sich besonders für das Schlafzimmer, in dem oft sowieso eine etwas niedrigere Temperatur herrschen soll, als im Rest des Hauses. So können Körper und Geist besser runterfahren und man schläft besser. Studien zeigen außerdem, dass ein Raum mit blauen Wänden als kälter empfunden wird. Auf Rot, Orange oder Gelb sollte im Schlafzimmer nach Möglichkeit verzichtet werden. Sie sind Signalfarben und haben die entgegengesetzte Wirkung von Blau und Grün.
3.Weiche Beleuchtung wählen
Die Beleuchtung ist ein sehr wichtiges Element im Neurodesign – sowohl in Bezug auf das Tageslicht als auch die Innenraumbeleuchtung. Licht wirkt sich auf unseren Tagesrhythmus und die Schlafhormone aus. Im Interior Design bedeutet das konkret: auf dichte Gardinen verzichten und viel Tageslicht reinlassen. Gute Beleuchtung ist wichtig, aber kaltes, blaues Licht erschwert es dem Körper einzuschlafen (anders als blaue Wände, paradoxer Weise). Wärmeres, dimmbares Licht ist besser geeignet, um angenehme Lichtstimmungen zuhause zu schaffen. Kompliziert umzusetzen ist dieser Tipp nicht, Leuchtmittel lassen sich oft einfach austauschen und durch weichere ersetzen.
4.Balance in der Einrichtung finden
Nicht zu viel im Raum und nicht zu wenig – ein interessantes Zuhause hat verschiedene Blickfänger. Zu viele aber sollten es nicht sein, wenn man das ganze unter dem Aspekt des Neurodesigns betrachtet. Optische Highlights machen neugierig. Dadurch kann Dopamin freigesetzt werden, so die Autorin Isabelle Sjövall. Ein ausgeglichenes Interieur ist ein Balanceakt, der kalibriert werden muss. Jeder muss dabei selbst herausfinden, was die richtige „Dosis“ ausmacht. Scheint der Raum langweilig, ist es zu wenig „Wawawoom“, stört irgendwas, ist es zu viel des Guten.
5.Mit Pflanzen und Pflanzenmotiven einrichten
Menschen besitzen eine grundsätzliche Affinität zur Natur. Sie erfüllt uns mit einem wohligen Gefühl, wenn sie sich von ihrer besonderen Seite zeigt – im Großen wie im Kleinen. Also tut es gut, ein Stück Natur nach drinnen zu holen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, etwa durch Bilder oder Materialien. Pflanzen sind die lebendigste Art, sich die Natur ins Haus zu holen. Sie sind ein wichtiger Faktor für ein verbessertes, balanciertes Leben. Pflanzen steigern die Kreativität, Luftqualität und schön sind sie außerdem. Forschungen zeigen außerdem, dass man sich länger in Räumen mit Grünpflanzen aufhält und sich dort auch wohler fühlt. Wer selbst einen Kaktus nicht am Leben halten kann, der greift statt der echten Pflanze lieber zum Pflanzenmotiv, etwa auf Kissen oder als Bild.
6.Taktile Materialien und Textilien aussuchen
Textilien machen das Zuhause wohnlicher und sie verbessern die Akustik. Auch andere Naturmaterialien und verschiedene Texturen sorgen dafür, dass der Mensch sich wohler fühlt. Man denke da nur an das dänische Konzept des Hygge, das ähnlich funktioniert. Der Mensch fasst gern Dinge an, streichelt sie. Seidige Bettwäsche oder ein weiches Ledersofa verleiten quasi zum Anfassen und Drüberstreichen. Das stimuliert wiederum die Ausschüttung des Hormons Oxytocin, das uns ruhig und zufrieden macht. Deshalb sind taktile Materialien auch aus dem Neurodesign nicht wegzudenken.
7.Duft mit Bedacht wählen
Der Geruchssinn ist der vielleicht sensibelste Sinn, den wir Menschen haben. Düfte können Erinnerungen auslösen oder auch Kopfschmerzen. Aktuell gibt es ein großes Angebot an Kerzen, Diffusoren etc. in allen erdenklichen Düften. Die sind so originell wie sie manchmal auch intensiv sind. Zu intensiv für manchen von uns. Angenehmer sind da oft natürliche Duftquellen, wie ein simpler Strauß Blumen. Am angenehmsten ist es, wenn es Zuhause so neutral wie möglich riecht, allein weil Gerüche von vielen so intensiv wahrgenommen werden.
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