Wer kennt sie nicht, die mondrunden Reispapierleuchten. In den 1980er und 90er Jahren war es kaum möglich, ein Kinderzimmer ohne den leuchtenden und günstigen Papierball an der Decke zu finden. Aus dem Kinderzimmer machte sich die Papierleuchte dann oft noch auf den Weg ins WG-Zimmer oder die erste eigenen Wohnung – und verschwand dann bald. Seit einigen Jahren aber sieht man sie immer öfter. Und nicht nur in ihrer günstigsten Form vom großen Schweden, sondern immer öfter als sorgfältig gefertigte Leuchtskulptur.
Kurze geschichte der Reispapierlampe
Ganz genau datieren lässt sich die Entstehung der papiernen Lampions nicht. In China wurden die Papierleuchten wohl ca. 150 Jahre vor unserer Zeitrechnung während der Han-Dynastie von buddhistischen Mönchen aufgehängt, um die Tempelgänge zu beleuchten. Zu Ehren der Götter verzierte man sie mit Schriftzeichen. In Japan werden die Chochin genannten, bauchigen Laternen um 1085 erstmals erwähnt. Heute hängen sie oft an Schreinen, um die Geister der Ahnen zu ehren oder einzuladen, sie waren dem Namen nach wohl aber zum Mitnehmen statt zum Aufhängen gedacht (“Cho” (Chou) bedeutet: “mit der Hand tragen”, und “Chin” “Laterne”). Im Laufe der Jahrtausende haben sich die leichten Leuchtkörper über weite Teile Asiens verbreitet, man findet sie auch in Korea und Thailand.
In Japan gibt es vier Zentren der Papierleuchtenproduktion: Nagoya, Mito, Gifu und Yame. Die Suifu chochin aus Mito haben im Vergleich zu den anderen genannten Produktionsstätten eine Besonderheit: Die Bambusrippen bilden keine Spirale, sondern unabhängige Ringe. Das verwendete Papier wird Nishinouchi genannt. Die 1951 vom japanisch-amerikanischen Gestalter Isamu Noguchi entworfenen Akari Leuchten werden von einem Familienunternehmen in Gifu seit jeher und bis heute auf den von Noguchi konzipierten Grundkörpern gefertigt.
Das Material der spiralförmigen Rippen ist gespaltener Bambus. Bei der Herstellung bedient man sich eines Grundkörpers aus radial gestellten Lehrbögen, die man nachher zusammenklappen und durch die verbleibende Öffnung herausziehen kann. Über die Backen dieser Lehre wird zunächst die endlose Rippe aus Bambus spiralförmig aufgezogen, dann wird das Papier aufgeklebt. Apropos Papier, bei Noguchis Leuchtskulpturen handelt es sich nicht um Reispapier, sondern um Washi-Papier, gewonnen aus Maulbeerbaumrinde. Aus den zunächst zwei Entwürfen der Akari Serie wurden insgesamt über 100 Modelle für Tisch, Boden und Decke in variierenden Größen. Den Namen wählte er, weil es den japanischen Ausdruck für Helligkeit und Licht, der auch Leichtigkeit beinhaltet.
„Das Licht einer Akari leuchtet wie das Licht der Sonne, das durch ein Shōji-Papier gefiltert wird. Die Magie des Papiers verwandelt die kühle Elektrizität zurück ins ewige Licht der Sonne. Damit ihre Wärme auch in der Nacht weiter unsere Räume füllen kann.“
Isamu Noguchi
Papierleuchten: Gekommen, um zu bleiben
Nun sind die Papierleuchten wieder da, von Vitra über HAY und &tradition gibt es die die diffus scheinenden Papierkörper wieder in den Wohnraum ein. Und diesmal nicht als billiger Leuchtenschirm oder als zur Dauerlösung gewachsenen Provisorium, nein, mit voller Absicht und in künstlerischen Formen. Neben den von asiatischen Tempellaternen inspirierten Papierleuchten mit Bambusrippen gibt es auch andere interessante Ansätze beim Design. Die Kurage Leuchte von Foscarini nutzt statt dünner Papierstreifen einen Dom aus einem einzigen Bogen Washi-Papier. Der Schirm ist quasi nahtlos, durch die Struktur des Papiers ergibt sich dennoch eine lebendige und faszinierende Oberfläche, durch die sanft das Licht scheint, während es nach unten direkt strahlt.
Vorteile der Papierleuchten
Die Vorteile der Papierleuchten sind so aktuell wie nie zuvor. Die Schirme sind aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und sind trotz des fragilen Materials erstaunlich robust und langlebig. Sie geben ein warmes, diffuses Licht ab und bringen so Behaglichkeit in den Raum. Klassiker wie die Akari Lichtobjekte sind inzwischen echte Ikonen und kommen nie aus der Mode. Sie fügen sich in skandinavische Interieurs genauso ein wie in ein minimalistisches Zuhause. Ob Altbau oder 1960er Jahre Bungalow, sie sind immer eine Bereicherung für den Raum. Dadurch, dass sie sich flach zusammenfalten lassen, sind die Leuchtenschirme platzsparend lager- und transportierbar, was ihre Ökobilanz noch zusätzlich verbessert.
Im Sommer haben sie eine organische Anmutung und eine Schwerelosigkeit, die zu hellen Tagen, zerknittertem Leinen und natürlichen Texturen passt. Im Winter strahlen sie ein warmes und gedämpftes Licht aus, das selbst den am spärlichsten dekorierten Raum gemütlich und einhüllend erscheinen lässt. In ihrer Schlichtheit sind sie unprätentiös und optisch zurückhaltend, und doch sind sie oft das Aushängeschild eines Raumes – ein ungewolltes Gesprächsthema. Sie sind überall zu Hause, von Japan bis Skandinavien. Sie vermitteln immer ein Gefühl von Leichtigkeit.
Wie jeder gute Designklassiker sind auch Papierleuchten nicht an einen bestimmten Trend oder eine bestimmte Zeitspanne gebunden. Hängt man eine Reispapier-Hängeleuchte von der Decke, kann sie dreißig Jahre oder drei Monate alt sein. Reispapierleuchten sind einer der ältesten Dekorationstricks überhaupt – es gab sie schon lange vor der Erfindung von Glühbirnen und LEDs.
Dieser Text erschien erstmalig am 7. Juli 2021 und wurde zuletzt am 14. November 2023 aktualisiert.
Leave A Reply