Unterwegs auf der Milan Design Week 2018
Im ersten Teil unseres Mailand Reviews habt ihr bereits lesen können, was es auf der Messe Salone del Mobile zu entdecken gab. Richtig spannend und inspirierend wird es für Designfans aber vor allem in der Stadt, abseits des Messegeländes, auf dem Fuori Salone aka der Milan Design Week 2018.
Die Designwoche agiert als eine Art Barometer für aktuelle und zukünftige Trends in Sachen Möbel, Interieur und Produktdesign. Und weil die keiner verpassen will, war es auch richtig voll in den Showrooms und Ausstellungsflächen der Labels und Designer. Das konnte zwischenzeitlich sehr anstrengend sein, vor allem wenn alle zugleich versuchen, irgendwie ansprechende Bilder für Instagram und Co. zu machen. Motive gab es viele, daneben aber auch immer wieder Menschen, die sich mehr oder weniger unfreiwillig vor die Linse drückten. Wer in Ruhe und ohne großes Gedränge einen Blick auf die Produkte und Installationen werfen wollte, der musste früh aufstehen und als erster vor Ort sein.
Der frühe Vogel muss nicht drängeln
Deshalb machten wir uns am frühen Mittwochmorgen auch als erstes auf zu HAY bei der Milan Design Week 2018. Das dänische Label hatte zusammen mit Sonos und We Work für eine Woche den historischen Palazzo Clerici in der Mailänder Innenstadt bezogen. Zwischen meterhohen Flügeltüren, vergoldeter Stuckatur und Intarsienparkett zeigte das dänische Label neue Entwürfe und Produkte, überarbeitete Bestseller und ergänzende Utensilien zum HAY Kitchen Market. In diesem dramatischen Umfeld kommen die skandinavisch-modernen Produkte besonders zur Geltung, wie wir feststellen durften.
Ein Palazzo voller Schönheit(en)
Besonders der neue Élémentaire Stuhl von den Bouroullec Brüdern profitierte von der fantastischen Kulisse: der stark reduzierter Monoblock Kunststoffstuhl mit klarer Linienführung entfaltet seine schlichte Schönheit so richtig erst im Gegensatz zu den prunkvollen Räumlichkeiten des Palazzos. Wohl auch deshalb wurde der kostengünstige Stuhl im Prunksaal des Hauses inszeniert, gemeinsam mit fragilen Glasparavents von Glas Italia, ebenfalls entworfen von Ronan & Erwan Bouroullec.
Insgesamt sieben Farben stehen beim Élémentaire zur Auswahl. Der Stuhl ist ein echter Tausendsassa, einsetzbar im Freien als auch im Innenraum. Sein großer Vorteil: er ist ein erschwinglicher Plastikstuhl und sieht doch nicht aus wie alle seine „Artgenossen“.
Schlank mit strenger Silhouette
Neben dem neuen Stuhl begeisterte auch das Silhouette Sofa, entworfen vom Designstudio GamFratesi. Das Sofa wurde bereits Anfang des Jahres in Stockholm präsentiert, in Mailand jetzt aber würdig inszeniert. Das elegante Sofa verdeutlicht dabei einen Trend, dem immer mehr skandinavische Labels folgen: Sofas werden wieder strenger und formaler. Man bewegt sich immer weiter weg von ausladenden Sofalandschaften und hin zu formschönen, aber doch eher strengen Sitzmöbeln. Bequem ist das Silhouette Sofa trotzdem, keine Frage.
Nachdem wir durch den Stadtpalast flaniert waren, genehmigten wir uns im Garten des Hauses ein kleines Frühstück und machten uns wieder auf den Weg quer durch die Milan Design Week 2018, schließlich gab es noch viel mehr zu sehen.
Eine Halle voller Stühle – Vitra Typecasting
Unsere nächste Station war die Typecasting Installation von Vitra. Auf einer riesigen Fläche versammelten sich zahlreiche Prototypen, Studien und Sonderausführungen hochkarätiger Designer für den Schweizer Hersteller. Weil das Ganze aber so beeindruckend war und es viel dazu zu erzählen gibt, bekommt die Ausstellung ihren ganz eigenen Blogpost in den nächsten Tagen. Seid gespannt.
Apropos Ausstellung, sehr inspirierend war auch die Installation Mindcraft der Danish Art Foundation. Versteckt in einer ruhigen Seitenstraße, neben einer kleinen Basilika gelegen, zeigten Dänische Künstler, wie sie das Thema Design und Einrichtung interpretieren. Kommerzielle Entwürfe gab es hier nicht zu sehen, dafür aber einen Innenhof, der von einem rundlaufendem „Sofa“ aus Kvadrat-Stoffen umgeben war. Wie ein gepolsterter Zaun schmiegten sich die Textilien um die Ausstellungsstücke, darunter ein gigantisches Pendel, zart im Wind wehende Gardienen und ein vorwitziger Stuhl. Auch hier ließ sich ein wiederkehrendes Farbspektrum erkennen, dass wir sowohl auf der Messe als auch andernorts erspähen konnten: Gelb, Grau und zarte Rosa- und Rottöne.
Da scheint bei unseren nördlichen Nachbarn Konsens zu herrschen, denn auch die Schweden (bzw. die Tourismusinitiative Visit Sweden) zeigten mit „Hemma – Stories of Home“ ihre Vorliebe für Senfgelb als Trendfarbe. Das Überraschende und auch Schöne an diesem Showroom war die entspannte Opulenz, die die Einrichtung ausmachte: vermeintlich nüchtern weiße Wände gaben den taktilen Einrichtungsgegenständen den nötigen Raum, um zu wirken. Ob ausgefallene Badewanne oder wunderschöne Hantelbank, jedes einzelne Stück hatte einen ganz einen Reiz – und wir wollten viele Dinge von hier direkt mit nach Hause nehmen.
Via Tortona und Milan Design Week 2018
Auf unseren Plan fehlte auch der obligatorische Ausflug in die Via Tortona nicht. Hier sind unter anderem die Superdesign Show und Base zu Hause. Zusammen mit unzähligen anderen Besuchern schoben wir uns über das Gelände, was der Sache ein bisschen den Spaß raubt. Wir schauten uns die neuen Möbel von Northern und auch die Abschlussarbeiten der Designstudierenden auf dem Stand der Einundzwanzig an. Und auch das Wallpaper Mag zeigte tolle arbeiten von spannenden Produktdesignern.
Wie immer gab es auf der Milan Design Week 2018 so viel zu sehen und wir haben längst nicht alles gesehen, was wir hätten sehen wollen. Und auch zum Eis essen sind wir nur einmal kurz gekommen – ein Skandal eigentlich. Die Zeit verrinnt einfach wie im Flug. Nach drei Tagen Mailand stiegen wir am späten Donnerstagabend voll Inspiration, leicht reizüberflutet und mit platten Füßen in den Flieger zurück nach Hause. Und was sollen wir sagen: Klar kommen wir im nächsten Jahr wieder. Mailand schuldet uns schließlich noch mindestens ein leckeres Gelato.
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