Es gibt nicht viele Designer, deren Entwürfe so durch die Welt getragen wurden, wie die Fackel, die Edward Barber und Jay Osgerby vom britischen Designstudio Barber Osgerby für die Olympischen Spiele 2012 in London entwarfen. Als sie nach 70 tagen Dauerlauf endlich zur Eröffnung der Spiele ins Stadion getragen wurde, konnten beide kaum hinsehen vor lauter Anspannung – die Befürchtung, die Flamme würde plötzlich erlöschen und das Ende ihrer Karriere einläuten, bewahrheitete sich zum Glück nicht. Das die beiden erfolgreichen Designer einmal vor allem als Produktdesigner bekannt würden, war anfangs gar nicht absehbar.
Die Anfänge von Barber Osgerby
Edward Barber und Jay Osgerby sind beide Jahrgang 1969 und lernten sich während ihres Masterstudiums Architektur am Royal College of Art in London kennen. Nach ihrem Abschluss gründeten sie 1996 ihr gemeinsames Architekturbüro. Bei der Realisierung ihr Projekte trafen sie immer wieder auf die Problematik, dass es in Sachen Möbel und Einrichtung oft nicht das gab, was sie sich vorstellten. Also fingen die beiden an, auch Möbelentwürfe zu realisieren. Das Problem bei Bauprojekten ist aber oft, dass die Auftraggeber ein begrenztes Budget haben und für die Innenausstattung nur minimale Kosten anfallen dürfen.
Das erste Möbelstück, das Barber Osgerby entwickelten, war der Loop Table aus Sperrholz, den sie für ein Restaurant in South Kensington designten. Es feiert in diesem Jahr 25. Jubiläum und war das erste Produkt, was nach 33 Jahren in das Sortiment von Isokon Plus (ein Unternehmen, in dem 1934 Walter Gropius und Marcel Breuer nach ihrem Ausschluss aus dem Bauhaus ein kreatives Zuhause fanden) aufgenommen wurde. Heute ist es Teil der Sammlung des New Yorker MOMAs und des Victoria & Albert Museums in London.
Sperrholz als Material sollte sie insbesondere zu Beginn ihrer Karriere als Produktdesigner begleiten. Aus dem Loop Table entwickelte sich eine ganze Reihe von Produkten, die die gebogenen Kurven aus Holz teilten. Für den Shell Table aus dem Jahr 2000 gewannen sie den begehrten Compasso d’Oro. Im darauffolgenden Jahr teilten sie ihr Arbeitsfeld bewusst in zwei separate Büros auf: Für ihre Architektonischen Projektebetreiben sie Universal Design Studio, ihre Möbel- und Industriedesigns laufen über ihr Studio Barber Osgerby.
No Risk no fun
Es sind Projekte, die ein gewisses Risiko in sich bergen, die die Kreativität von Barber Osgerby beflügelt. Experimentell und nervenaufreibend dürfen sie gerne sein. Die beiden Briten sind bekannt für eine Herangehensweise, an deren Ende ein Produkt steht, das Form und Funktion in scheinbarer Einfachheit vereint. Aber sie arbeiten gerne und oft bewusst außerhalb der eigenen Komfortzone und bewegen sich dabei oft auf für sie neuen Designpfaden.
Deswegen ist ihr schöpferisches Œuvre so vielseitig. Sie haben Möbel für Hersteller wie Vitra und Cappellini entwurfen, Lichtlösungen für Hermès und Louis Vuitton, es gab Kollaborationen mit Sony und Levi’s und außerdem sind sie nach wie vor in große Bauprojekte involviert. Edward Barber und Jay Osgerby lassen sich ungern in eine Schublade stecken.
Die Arbeit als Duo begann für die beiden als Experiment während des Studiums und sie setzen sie erfolgreich fort. Für beide ist es beruhigend zu wissen, dass die die Ups und Downs ihrer Arbeit gemeinsam erleben. In ihrem Studio beschäftigen sie 10 Mitarbeitende, Barber und Osgerby bilden dabei den Kern. Der Kern ihres Schaffens ist die Entscheidung, Dinge zu entwerfen, die eine Bedeutung haben und eine neue Nutzung ermöglichen – im Idealfall mit minimalem Ökologischen Fußabdruck. Im Designprozess streiten sie wohl nur selten, sind mit dem Alter nach eigenem Bekunden aber immer häufiger unterschiedlicher Meinung. Zu einer gemeinsamen Lösung sind sie dennoch immer gekommen.
Ihre Entwürfe sollen nicht langweilen, sondern auch nach Jahren noch in Gebrauch sein. Die Fähigkeit zu reduzieren, ohne etwas wegzunehmen, ist zum Erkennungszeichen der Designer geworden. Es ist zugleich ein Ansatz, der mit einigen Herausforderungen verbunden ist, denn das Problem mit wirklich einfachen Projekten ist, dass sie am schwierigsten zu realisieren sind, ohne einem Objekt die Seele zu rauben. Es gibt Einfachheit und es gibt Minimalismus, und das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.
Schöne bunte Warenwelt
Die Designs beginnen ganz klassisch als Skizzen. So manch erster Entwurf wird bei ein Feierabendgetränk gezeichnet. Vielleicht eint gerade deshalb die meisten ihrer Produkte eine gewisse Nonchalance. Sei es die Bellhop Leuchte für Flos, die es seit diesem Jahr auch als Stehleuchte gibt, oder die Tibbo Outdoor Möbel Kollektion für DEDON, die genauso gut im Innenbereich stehen könnte, als auch auf einer großzügigen Terrasse Platz finden – ihrem eigentlichen Bestimmungsort.
Herausragend aber ist vor allem ihr Tip Ton Stuhl für Vitra. Barber Osgerby wollten ein alltägliches Möbel neu denken und verbessern, ganz konkret den Schulstuhl. Wir kennen ihn alle, das Sitzmöbel, dass uns von der 1. Klasse bis zum Schulabschluss begleitet, auf dem gestanden, gesessen und gekippelt wird. Letzteres ist beim Tip Ton Chair teil des Designs, denn beim Stuhl aus Kunststoff lässt es sich im Sitzen ungefährlich nach vorn kippen.
Für dieses Projekt sind die beiden Designer aktiv auf Vitra zugegangen, weil sie einen Partner suchten, der die Geduld und die Ressourcen hat, die Idee bis zum fertigen Produkt zu begleiten. Heute ist der Stuhl ihr vielleicht bekanntestes Produkt für Vitra, aber bei weitem nicht ihr einziges. Das Mariposa Sofa haben die beiden Briten für das Schweizer Designunternehmen entworfen, ebenso das Projektmöbel Soft Work.
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