Es gibt viele Architekten und Designer, aber nur ein Bruchteil von ihnen ist so stilprägend wie Vincent Van Duysen. Er verbindet Architektur, Innenarchitektur und Ästhetik auf sehr besondere Art miteinander. Seine zurückhaltenden, sinnlichen Objekte und Innenräume, die ihm weltweite Anerkennung eingebracht haben, bieten einen menschlichen, schützenden Zufluchtsort in dieser geschäftigen Welt. Mit einer besonderen Sensibilität für Material, Textur und Formbarkeit betont Van Duysen in seiner Praxis die taktile Erfahrung von Design und vereint seine eng miteinander verknüpften Arbeiten in den Bereichen Produktdesign, Inneneinrichtung und Architektur.
Vincent van Duysen: Der populäre Purist
Vincent Van Duysen (*1962 in Lokeren/Belgien) ist kein Mann, der sich um Etiketten schert und doch steht er, gemeinsam mit seinem Kollegen Axel Vervoordt, für einen modernen, organischen Minimalismus im Interior Design. Vor allem eines erregt seinen Zorn. Er selbst findet diese Zuschreibung nicht sonderlich treffen, denn für ihn ist Minimalismus etwas sehr Radikales. Und das ist er nicht und das sind auch seine Arbeiten nicht. Er kreiert Räume und Objekte, um Wärme und Komfort für seine Kunden und sich selbst zu schaffen.
Bei Van Duysen gibt es nichts Kaltes und Klinisches: Seine Hingabe an natürliche Materialien und Farben bedeutet, dass fast jede Oberfläche eine Textur hat, die zum Anfassen einlädt. Seine Farbpalette mag monochrom aussehen, aber sie ist reich an Tönen und Variationen. Seine Designerkollegin und ehemalige Designjournalistin Ilse Crawford beschrieb seine Arbeit einmal als „sinnlich”, was viel besser zu passen scheint. Van Duysens Ansatz ist ein holistischer, ganzheitlicher: Er sagt, dass Architektur, Inneneinrichtung, Möbel und Produktdesign kombiniert werden, um “seine Welt” zu schaffen.
Als Van Duysen 1985 sein erstes Haus entwarf, festigte Antwerpen gerade seinen Ruf als einzigartiges Kultur- und Designzentrum mit einem zutiefst eigenwilligen Charakter. Mehr als 35 Jahre später taucht das Wohnzimmer dieses ersten Hauses immer noch regelmäßig auf Pinterest-Boards, in Blogs und in Zusammenstellungen von Einrichtungsinspirationen auf, oft gemischt mit Bildern seines aktuellen Hauses, das nur einen kurzen Spaziergang von seinem Atelier im Stadtzentrum entfernt liegt. Vincent Van Duysen ist aber nicht nur ein renommierter Architekt, sondern auch im Bereich Produkt- und Beleuchtungsdesign tätig. Dieser multidisziplinäre Ansatz brachte ihm 2016 den prestigeträchtigen Titel “Belgian Designer of The Year” und den “Flämischen Kulturpreis für Design” ein.
Stilfindung zwischen Italien und Belgien
Als junger Designer wurde Vincent Van Duysen stark von seiner Beziehung zu Italien und dessen Designindustrie beeinflusst. In seinen 20ern arbeitete er mit dem postmodernen Designer und Architekten Aldo Cibic zusammen, der Partner im Mailänder Studio des Begründers der Memphis-Bewegung Ettore Sottsass war. Oberflächlich betrachtet scheint diese Erfahrung in krassem Gegensatz zu seiner zurückhaltenden, ruhigen Ästhetik zu stehen, aber er sagt, dass sie ihn auf einer geistigen, intellektuellen Ebene beeinflusst hat.
Er war jung, 22 oder 23 Jahre alt, und befand sich in dieser verrückten Zeit der Stilwende – das Ende der Postmoderne – wieder. In Italien lehrten sie Architektur auf eine völlig unkonventionelle Weise, wie er sich später erinnert. An Sottsass und Aldo Cibic reizte ihn deren Interesse an Primärformen. Eine der ersten Kollektionen, an denen Van Duysen arbeitete, hieß Standards, eine Möbelserie, die sich auf das Wesentliche konzentrierte, aber eine lustige Wendung nahm.
Es geht um die Grundform
Vincent Van Duysen verschmilzt all diese Erfahrungen intuitiv zu seiner ganz eigenen Auffassung von ‘abitare’, dem sehr authentischen, sehr italienischen Verständnis von ‚Wohnen‘, und eine Wertschätzung für Grundformen entwickelt. Zurück in Belgien vereinfachte er seine Morphologie noch weiter, inspiriert von den Grundformen der Italiener und kombiniert mit der Einfachheit seiner belgischen Herkunft. Schließlich muss ein Interieur auch den Ort der Behausung widerspiegeln. Diese Schlichtheit, die Verwendung natürlicher Materialien wie Holz und Stein und eine begrenzte Farbpalette wurden zu von Duysens unverwechselbaren Stil. In seinen Entwürfen steckt immer auch der Versuch, die richtigen Proportionen für einen Raum oder ein Produkt zu finden, um interessante Spannungsfelder zu schaffen.
Der Architekt und Designer will mit seinen Entwürfen einen neuen Archetypus schaffen. Es ist nicht seine Absicht, die Dinge neu zu erfinden. Teil seines Arbeitsprozesses ist es, die Geschichte des jeweiligen Möbelstücks zu beleuchten. Dann entfernt er so viel wie möglich von dessen traditioneller Form, um die Grundform zu erhalten. Außerdem überarbeitet er den Maßstab und die Proportionen und fügt bestimmte Details hinzu, um die Materialität zu betonen. Auf diese Weise entsteht allmählich eine neue Form, die fest in der Tradition verwurzelt ist.
Wider dem sogenannten ‚Belgischen Minimalismus‘!
Diese Reduktion auf das Wesentliche hat inzwischen viele Nachahmer gefunden. Was sich Belgischer Minimalismus schimpft, wir genutzt, um teure Apartments von Antwerpen bis Zürich zu verkaufen. Dieser Begriff wurde Anfang der 2010er Jahre geprägt, um eine Ästhetik zu beschreiben, die von Van Duysen und seinem Antwerpener Kollegen Axel Vervoordt verkörpert wird. Sie gehen am Ansatz von Van Duysen vorbei und lassen die Subtilität seiner besten Arbeiten vermissen. Die Oberflächen sind zu glatt, das Weiß zu leuchtend, das Schwarz zu flach, die Ablageflächen – die in seinem eigenen Haus so reichlich vorhanden sind und den Schlüssel zur Offenheit der Räume darstellen – fehlen völlig. Seine Arbeiten haben mehr Tiefe, Struktur und Spannung.
Was im Groben leer und weiß erscheint, lässt bei näherer Betrachtung auf eine ausgeprägte Detailliebe schließen. Sein Stil basiert auf Purismus und einem raffinierten Einsatz von Materialien, nicht auf der Abwesenheit von Charakter. Vincent Van Duysen kreiert zeitloses Design, reduziert auf das Wesentliche. Seine Kollektionen schreien nicht nach Aufmerksamkeit, sondern zeichnen sich durch ihre Schlichtheit und Ruhe aus. So auch seine Produkte für den belgischen Hersteller Serax. Für das Unternehmen aus der Nähe von Antwerpen hat er zwei Möbelkollektionen entworfen; August für den Außenbereich und Rudolph für das Interieur.
August und Rudolph in Serie
August wurde für die Terrasse des gleichnamigen Hotels im Herzen Antwerpens gestaltet, und ist eine Serie von minimalistischen Stühlen, die mühelos die Geschichte der Umgebung mit einer modernen Interpretation verbinden. August von Vincent Van Duysen für Serax besteht aus pulverbeschichtetem Aluminium, das in gedeckten Farbtönen erhältlich ist. Dadurch ist er sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich geeignet. Die Stühle, Loungesessel, Sonnenliegen, Tische und Hocker verkörpern die schlichte Einfachheit des klösterlichen Lebens, von dem sie inspiriert wurden. Die breiteren, etwas niedrigeren Proportionen der Loungesessel sind zeitgemäß und tragen zum modernen Komfort bei.
Die Sofa Kollektion Rudolph repräsentiert die DNA beider Institutionen, Serax und Vincent Van Duysen. Seine Idee war es, ein maßgefertigtes Produkt, das er häufig in seinen Projekten reproduziert, in ein Serienprodukt zu übersetzen. Name Rudolph wurde von Rudolf Michael Schindler abgeleitet, einem wichtigen Protagonisten der amerikanischen Moderne der Jahrhundertmitte, den Van Duysen sehr bewundert. Das Rudolph-Sofa gibt es als freistehende Version mit zwei bis drei Sitzplätzen und als Einzelsitzer mit Beistelltischen aus Holz und Marmorplatten. Die freistehenden Beistell- und Mitteltische vervollständigen die Kollektion. All diese Materialien besitzen eine ausgesprochen angenehme Textur, Wärme und Haptik. Rudolph ist ein organisches und superbequemes Sofaprogramm, das zudem sehr vielseitig ist.
Leave A Reply