Der Winter ist in diesem Jahr gefühlt besonders lang und irgendwie leiden gerade alle unter den spärlichen Lichtverhältnissen, dem ungemütlichen Wetter und der Tatsache, dass der Großteil der Freizeit im Moment einfach drinnen stattfinden muss. Aber warum nicht aus der Not eine Tugend machen und sich das Drinnen so angenehm wie möglich zu machen. In Skandinavien ist das kein neues Konzept. In Dänemark gibt es „hygge“, in Schweden den Begriff „lagom“ und die Finnen setzen auf „Kalsarikännit“. Für all diese Begriffe gibt es im Deutschen keine richtige Entsprechung und doch helfen die Konzepte hinter allen drei Wörtern, mit den kalten und dunklen Wintermonaten umzugehen.
Dänen lügen nicht – es wird hyggelig
Die Dänen sind laut einigen Umfragen immer wieder das glücklichste Land der Erde. Ob es wohl an „Hygge“ liegt? Einhergehend mit Begriffen wie Entspannung, Genuss und Dankbarkeit wurde „Hygge“ lange als Teil des dänischen Nationalcharakters interpretiert. Die Fähigkeit, sich das Leben mittels guter Gesellschaft, Kerzenschein und Gemütlichkeit selbst bei miesem Wetter angenehm gestalten zu können, gilt als typisch dänisch. Hygge sei aber mehr als nur ein Gefühl von Wohligkeit, sondern eine Lebenseinstellung, meinen unsere nördlichen Nachbarn. Im vergangen Jahr hat die skandinavische Gemütlichkeit vor allem im Interiordesign sein Publikum gefunden. Insbesondere der Genuss von weichen, schmeichelnden Dingen wie Kaffee und Kaschmirsocken wurde und wird noch immer regelrecht gefeiert. Es sind die kleinen und einfachen Dinge im Leben und im Zuhause, die besondere Freude bringen sollen. Labels wie AYTM, Gubi und &Tradition passen perfekt zum Konzept Hygge.
Alles hyggelig mit Kerzen, Kissen, Kamin
Das Konzept macht nicht nur Menschen glücklicher, sondern auch Räume schöner. Typisch für Hygge sind Kerzen, warme Decken und weiche Texturen, Stimmungsvolles Licht und ein Hauch Natur im Raum. Und nicht zu vergessen, der Duft von Kaffee und süßem Gebäck. Weiße Wände sind typisch skandinavisch, aber auch dunkle Wände können sehr hyggelig und gemütlich sein. Die dunkle Farbe schluckt Licht und sorgt so für eine wohlige Atmosphäre, die sich wie eine dunkle aber warme Decke um Sofa und Sessel legt. Bloß kann man es mit der Gemütlichkeit auch übertreiben: deshalb: nicht alles, was gemütlich ist, in einen Raum stopfen. Die Dänen haben dafür ein ganz fantastisches Gespür, dass man sich selber auch ein wenig abschauen darf.
Lagom, genau richtig
Dieses Gespür für die genaue Dosierung, für die genau richtige Menge, lässt sich mit Lagom betiteln. Dieses schwedische Wort beschreibt nämlich genau das, die richtige Menge. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Einfach genau richtig eben.Es lässt sich auf alles anwenden, vom Kaffee bis hin zur Einrichtung. Lagom gilt als das Geheimnis schwedischer Zufriedenheit. Diese Schweden stehen nicht bloß einfach in dem Ruf gesund, glücklich, gutaussehend und geschmackssicher zu sein, sie sind es auch tatsächlich, was ein Blick auf ihren Einrichtungsstil verrät. Der ist natürlich immer irgendwie individuell, und doch finden sich dort keine Entgleisungen wie Gelsenkirchener Barock oder geflieste Couchtische. In Deutschland hingegen soll es nachwievor Wohnungen geben, die diesen Möbeln ein Zuhause geben.
Auf die Inneneinrichtung bezogen kann lagom bedeuten: ein bisschen schrill, aber nicht zu laut. Großzügig, aber nicht zu groß. Trendy, aber mit Klassikern kombiniert. Ein gesundes Mittelmaß, das ist lagom. Auch beim Design gilt: simpel, stylisch, funktionell und haltbar musse es sein. So wie Design House Stockholm etwa. Wenn man zum Beispiel mehr als hundert Euro für einen Kerzenhalter ausgibt, dann darf man auch erwarten, dass der Jahrzehnte hält. So verhält es sich nicht nur in Schweden, sondern in ganz Skandinavien. Lagom, das ist eine gesunde Balance, die Qualität, Komfort und Kosten vereint. Das Gegenmittel zur More is more-Attitüde, die vom ständigen Konsum gesteuert ist. Kaufen und Besitzen ist ok, aber man muss es nicht übertreiben, scheint typisch Lagom. Vielleicht ist eben genau das, was wir immer wieder als typisch nordisch empfinden. Ein Bewusstsein für Schönheit und Qualität und Zufriedenheit, aber eben auch das Vermeiden von Übermaß.
Kalsarikännit – die Finnische Art, ohne Reue das Sofa zu okkupieren
Bei Kalsarikännit handelt es sich streng genommen nicht um ein Lebenskonzept oder ein Designcredo, und doch hat es etwas mit Skandinavien und Zuhause zu tun. Übersetzt bedeutet es so viel wie „in Unterwäsche zuhause sitzen und trinken, ohne die Ansicht, noch das Haus zu verlassen“. Kalsarikännit heißt, eine wiedergefundene, strukturell missbilligte Aktivität mit Stolz zurückzuerobern und positiv zu besetzen. Und was ist falsch daran, auch mal ganz unprätentiös das heimische Sofa zum Freitagabend-Highlight zu erklären und in Solitüde Wein zu trinken. Die Finnen haben dafür ein tolles Wort, wir die dazu passenden Sitzmöbel.
So richtig hyggelig wird es, wenn man also ein paar Kerzen anmacht (bloß keine Duftkerzen, bitte) und sich einfach hinlümmelt. So ein Abend mit Kalsarikännit auf dem Sofa sollte nur nicht unbedingt in Exzess umschlagen, deshalb hält man es am besten hier mit den Schweden: Lagom. Nicht zu viel, nicht zu wenig trinken. Einfach genau so viel, dass man am nächsten Morgen nicht mit Kopfschmerzen aufwacht. So in etwa also geht es, das skandinavische Leben. So lässt sich dann auch der lange, lange Winter aushalten.
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[…] ein bisschen anders ticken als der Rest Europas, haben wir bereits mit dem Artikel über Hygge und Lagom zu erklären versucht. Und so ist auch der Sommer dort wunderbar eigen. Wenn man das nicht selber […]