Wer sich nach Aschau begibt, verfolgt nicht selten auch eine Spur, die Spur von Nils Holger Moormann und seinen Möbeln. Wir waren im alles andere als gewöhnlichen Showroom der Marke und haben uns auf die Spur des Pressed Chairs begeben, der 2021 sein zehntes “Lebensjahr” feierte. Dementsprechend präsent ist der kultige Aluminiumstuhl auch auf der Ausstellungsfläche der auf eine stoische Weise exzentrischen Marke Moormann in den ehemaligen Stallungen des Aschauer Schlosses.
Im Moormann Showroom – 10 Jahre Pressed Chair
Der Pressed Chair feierte 2021 sein 10-jähriges, deshalb drehte sich bei unserem Besuch im Moormann Hauptquartier in Aschau vieles um den stählernen Jubilar. Im ganzen Haus finden sich Modelle dieses so leicht aussehenden Sitzmöbels. Im großen Showroom bekommt man nicht nur einen Überblick über die farbliche Vielfalt, in der der gepresste Stuhl in der letzten Dekade erhältlich war, sondern auch kann auch ein paar der Entwicklungsschritte von der Idee hin zum serienreifen Möbel sehen.
Vom Showroom geht es weiter in die gegenüberliegenden alten Stallungen, wo sich die Ausstellung der Moormann Klassiker und der Moormann’schen Philosophie fortsetzt. Hier kann man auch erahnen, dass sich trotz des Weggangs von Nils Holger Moormann aus dem Unternehmen an den grundlegenden Idealen des Chiemgauer Möbelherstellers nicht viel geändert hat. Der Unternehmer verkaufte sein Unternehmen 2020 an die Geschwister Kristina Münnix und Christian Knorst. Moormann und seine Frau Silke sitzen nun im Beirat der Firma. Gute Gestaltung, bisweilen skurriles Design, Humor und ein Bewusstsein für lokale Fertigung sind nach wie vor essenzieller Teil der Firmenidentität. Da passt die humorvolle Auseinandersetzung mit dem Geburtstagsthron genau ins Konzept.
Unter Druck entstehen Diamanten: So entstand der Pressed Chair
An dieser Stelle werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die Entstehung des gepressten und gebogenen Stuhls, denn was so leicht aussieht, war recht schwer zu konstruieren. Der Pressed Chair ist keine Idee Moormanns, sondern wurde 2010 von Harry Thaler entworfen. Nils Holger Moormann entdecke den Stuhl im Januar 2011 auf der Möbelmesse IMM Cologne in Köln im Rahmen des D3 Contest. Erste zarte Kommunikationsbande werden zwischen Designer und Marke geknüpft und im März des gleichen Jahres kommt der Prototyp in Aschau an. Daraufhin finden erste Pressversuche mit selbstgebautem Werkzeug aus Multiplexplatten und Metallstangen statt. Allerdings hält dieses nur wenige Versuche durch, weil es dem Pressdruck nicht standhält.
Es folgen etliche weitere Versuche, bei denen oft das Blech an den Biegungen für Füße oder Rückenlehen reißt. Nach zwei Monaten Tests zeichnen sich endlich erste Erfolge ab, das Press- und Biegewerkzeug hält dem Druck verlässlich stand. Die ersten Belastungstest fallen ernüchternd aus, schon bei einer Belastung von 35 Kg gibt die Rückenlehne nach. Also weiterentwickeln und weitertesten. Es sollte noch bis September 2011 dauern, bis der Stuhl den geforderten Belastungstest standhält und dann noch einmal 11 Monaten, bis der Pressed Chair am 3. August 2012 die Prüfung durch den TÜV besteht.
Experimentelle Spielwiese – Neuinterpretationen
Anlässlich des 10. Jubiläums hat Moormann nicht nur eine auf 100 Stück limitierte Sonderedition (aus glasperlengestrahltem, eloxiertem Aluminium) des Pressed Chair auf den Markt gebracht, sondern bat Designer und Künstler aus dem Umfeld der Marke, den Stuhl aus einem flachen Stück Blech zu interpretieren. Die 10 Werke, die daraus entstanden, stehen nun also hier und warten auf ihre Bewunderung, Bewertung, ja, zumindest ihre Inspektion durch geneigte Besucher. Es gibt eine Schaukel, einen Schaukelstuhl und auch einen Hochsitz, besonders edel wirkte ein beflockter Stuhl in Königsblau, der sich so anfühlte wie die heißbegehrten „Stoffi“-Sticker aus den Sammelalben der 1990er Jahre.
Dachbodenfundstücke
Bei unserem Besuch im Moormann Sitz haben wir auch die exklusive Möglichkeit, das Archiv des eigensinnigen Möbelherstellers zu durchstöbern. Und auch hier stießen wir auf den Pressed Chair. Neben Prototypen entdeckten wir Miniaturmodelle und ausgelaufene Farbvarianten auf dem bis unter die Decke vollgepackten Dachboden. Anders als im Rest des Hauses sind die Möbel hier nicht inszeniert, sondern locken einen wie eine gut sortierte Literatursammlung an die Regale. Neben den Jubiläum feiernden Stühlen stehen hier auch “Rennmöbel” aka. der motorisierte Bookinist Lesesessel, mit dem Nils Holger Moormann noch höchstselbst durch “die Hölle von Aschau” fuhr.
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