Designer im Portrait: Konstantin Grcic
Es gibt Designer in der Möbelbranche, die haben ihr Ohr am Puls der Zeit, die reagieren auf Trends und die begeistern mit gefälligen Entwürfen. Konstantin Grcic tickt da etwas anders. Zum einen ist er nicht einfach Möbeldesigner, sondern Industriedesigner, auf diese Destinktion legt er Wert. Zum anderen interessiert er sich nicht im Geringsten für Trends. Er folgt seinem ganz eigenen Weg. Und doch, oder vielleicht gerade darum, zählt der Münchner zu den erfolgreichsten und einflussreisten Designern unserer Zeit.
Konstantin Grcic: Designer und Münchner Kosmopolit
Konstantin Grcic hat serbische wurzeln, ist in München geboren und arbeitet inzwischen auf der ganzen Welt. Seit diesem Frühjahr hat er sein Designstudio in der bayrischen Landeshauptstadt mehr oder weniger aufgelöst und dafür Räume in Berlin bezogen. Ob, und wie, der erfolgreiche Designer die aber nutzen wird, mit Team oder ohne, vor Ort oder doch eher on the Go, das wird sich erst mit der Zeit zeigen. Seinem kreativen Schaffen jedoch wird das keinen Abbruch tun. Der gelernte Schreiner und ehemalige Schüler von Jasper Morrison beginnt quasi jedes seiner neuen Designs von Grund auf neu. „Er schafft es alle vorgefassten Erwartungen über Bord zu werfen und jedes Mal bei null anzufangen. Das ist wirklich sehr selten.“, so sein Mentor Morrison.
Charakterstarke Entwürfe ohne Hang zu Trends
Anders als viele seiner Designkollegen hat Konstantin Grcic deshalb auch keine sofort erkennbare Handschrift. Vielmehr ist es eine Grundhaltung seiner Entwürfe, die den Charakter seiner Arbeit definiert. Und seine Entwürfe sind wahrlich Charakterköpfe, mal sehr verspielt und atypisch, dann wieder streng geradlinig und ungewöhnlich. Zahlreiche Alltagsgegenstände hat der Industriedesigner in den vergangenen Jahrzehnten entworfen, von Besteck über Schnapsgläser bis hin zum Regenschirm. Auch sie entwirft er mit der gleichen Sorgfalt, die er auch seinen Möbeldesigns zukommen lässt. „Das sind Werkzeuge des täglichen Lebens. Die will man als Designer gestalten, weil sie so fundamental sind“, so Grcic selbst. „Dass Alltagsdinge sehr gut gestaltet sind, ist mir sehr wichtig.“
Geschichtsträchtiger Hilferuf
Mit einem seiner ersten kommerziell erfolgreichen Entwürfe hat der vielbeschäftigte Formgeber bereits Designgeschichte geschrieben: die May Day Leuchte, die bei den italienischen Leuchtenkoryphäen von Flos gefertigt wird, erinnert mit ihrem kegelförmigen Reflektor aus Kunststoff, dem Haken zum Aufhängen und dem meterlangen Kabel stark an eine Baustellenleuchte. Überraschender Weise findet sich dieses Produkt aber nicht nur in Kelleraufgängen und in Garagen, sondern auch in privaten Wohn- und Schafzimmern. 2001 wurde das so ungewöhnliche wie ungeheuer funktionale Design mit dem Compasso d’Oro, einer der bedeutendsten Auszeichnungen für Industrie-Design, ausgezeichnet. Ach, und Teil der ständigen Sammlung im New Yorker MoMA ist die leuchte inzwischen auch.
Ein Stuhl sie zu knechten
Ein weiterer berühmter Entwurf von Konstantin Grcic ist der Chair One, der aus der Zusammenarbeit mit Magis hervorgegangen ist. Mit Magis arbeitet Grcic schon fast seit Anbeginn seiner Karriere zusammen, mit der Zeit hat er dutzende Produkte für den Hersteller entwickelt. Chair One aber ist neben Mayday seine zweite Designikone. Die Vorgaben von Magis lauteten: es soll ein Stuhl aus Aluminium-Druckguss sein. Was der Designer daraus machte, ist erstaunlich: das kantige Metallgitter des Stuhls prägt seine Ästhetik. Alles, was statisch nicht notwenig war, hat er weggelassen. Überraschender Weise ist die verbleibende geometrische Gitterstruktur wirklich bequem – das würde man auf den ersten Blick beim Chair One ganz sicher nicht vermuten. Der raffinierte Witz offenbart sich eben erst bei genauerem Hinschauen (und Draufsetzen).
Die Entwürfe des Konstantin Grcic beweisen Charakter. Und immer wieder auch, dass sich der Designer über jeden Teil des Designs ausführliche Gedanken macht – selbst wenn das Ergebnis alles andere als konventionell ist. Das ist aber auch die vielleicht größte Stärke seiner Arbeiten. Übrigens: Neben dem Entwerfen von Alltagsgegenständen und Möbeln hat Konstantin Grcic sich auch als Kurator und Konzeptioner von Ausstellungen hervorgetan. Unter diesen befindet sich unter anderem die Night Fever Exhibition im Vitra Design Museum.
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