Nils Holger Moormann tickt nicht so wie andere Möbelhersteller. Mehr verkaufen, mehr designen, immer wieder Neues und dabei immer schneller werden – alles das scheint ihn nicht so sehr zu interessieren. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, dann ist er in Aschau, wo er über die fabelhafte Moormann Welt wacht. Dort im Chiemgau geht es in malerischer Kulisse meist doch eher behäbig zu. Für den POP HUB Berlin aber zog es Nils und sein Team nach Berlin. Vom 13. bis zum 14. September richtete der bajuwarische Hersteller gemeinsam mit Axel Kufus und Arne Petersen von OH Studio ein urbanes Logistik-HUB ein. Gemeinsam mit dem Designer Axel Kufus lieferte Nils Holger Moormann zwei Tage lang Möbel mit dem Lastenrad aus. Am Ende des ersten Tages sprachen wir mit Nils über die Idee dazu, die technischen Ausgefeiltheiten des Spezial-Radls und den Berliner Verkehr.
Nils Holger Moormann und das POP HUB Berlin
Mit dem Lastenrad Möbel vom POP HUB Mitten in Berlin ausliefern. Wie kommt man auf so eine Idee?
„Ich behaupte mal, dass wir relativ clevere Möbel machen, insofern, dass sie modular sind, dass man sie zerlegen kann, dass man sie einfach wieder auf- und abbauen kann. Dass wir aber die Liefersituation ziemlich klassisch gestalten. Wir fahren mit einem riesen LKW in die Stadt oder an die Stadt ran. Maximal laden wir es dann um auf einen kleineren LKW, der dann wahrscheinlich dummer Weise, weil er gar nicht anders kann, auf dem Fahrradweg parken muss. Denn er muss ja irgendwo halten.
Und dann haben wir gedacht: Eigentlich müssen wir da mal den Anstoß geben, dass die Logistik da hinterherkommt. Also dass man Möbel auch anders liefern kann. Ohne die Städte zu belasten und die Umwelt.“
Und dann ausgerechnet mit Fahrrad in der Großstadt. Das ist schon mutig.
„Wir haben im Nachbarort einen, der ist ein total Fahrradverrückter. Und ich bin auch ein Fahrradverrückter. Der hat also ein neues Lastenrad entwickelt, was ein paar Features hat, die es bei anderen so nicht gibt. Dieser Sattelschlepper im Fahrradformat, der ist uns geschuldet, weil wir eben auch Möbelteile haben, die länger sind als zwei, drei Meter. Und das kannst du damit eben transportieren. Und damit lassen sich bis zu 400, 500 Kilogramm belasten. Es ist kein Spielzeug.“
…an dieser Stelle wird es für technisch Interessierte spannend. Nils Moormann geht auf die Besonderheiten des Gefährts ein…
„Neu sind die sehr kleinen Räder. Die Räder sind unter dem Fahrrad, das heißt es ist weniger breit, als wenn die Räder seitlich angebracht wären. Du kannst auf der klassischen Ladefläche eine Europalette draufladen. Wir haben aber in der Möbelbranche eher lange Teile, deswegen machte das für uns keinen Sinn. Dann hast du zwei Elektromotoren drin, die so gesteuert sind, dass sie elektrische Bremsen haben. Wenn du bremst, wird die Energie zurückgespeist. Rekuperation also. Wir haben keine Kette am Rad, d.h. du trittst in den Generator. Soll heißen: Ich kann jetzt langsam losfahren, wenn ich dann aber nicht trete, bleibe ich wieder stehen. Je mehr ich reintrete, umso schnell fahre ich und trage dazu bei, dass der Akku aufgeladen wird.
Vorne, was ich auch total interessant finde, neigt sich das Fahrrad. Wenn du also in die Kurve gehst, neigt sich das Fahrrad. Es ist ein wesentlich sichereres Fahrgefühl, als wenn du jetzt ein starres, breites Gefährt hättest, wie zum Beispiel Ben Hur mit seinem Streitwagen.“
POP HUB als Experiment
Und damit fahrt ihr jetzt zwei Tage lang durch Berlin?
„Genau. Was wir jetzt hier machen, ist eigentlich nur mal zwei Tage ein Thema anzureißen. Es ist nachdenkenswert, was ein Beitrag sein könnte, diese Intelligenz, die unsere Möbel ja hoffentlich haben, auch bis zum Kunden zu bringen. Das geht vor allem in großen Ballungsgebieten. Auf dem Land ist das unsinniger. Berlin, Köln, München – hier ist es durchaus eine Alternative zur klassischen Lieferung. Das POP-HUB ist jetzt ein temporäres, zentrales Mini-Logistikzentrum.“
Ist das POP HUB ein reines Experiment oder auch eine Idee, wie Logistik im urbanen Raum zukünftig funktionieren könnte?
„Das ist jetzt erstmal ein Experiment. Aber als Idee kann es ja auch andere in der Möbelbranche anregen. Wenn ihr als Shop ein paar Städte hab, wo richtig der Punk abgeht, dann sammelt man die Bestellungen und liefert sie gebündelt mit einer kleinen Truppe so aus. Bei uns war es jetzt so, dass Axel Kufus und ich gerade 30 Jahre FNP Regal feiern. Das nehmen wir zum Anlass, die Sachen auszuliefern und dann auch aufzubauen. Wir machen mit dem POP HUB Berlin den ganzen Rundum-Service.“
Exklusiver Rundum-Service für Moormann-Kunden
Und wie sieht es aus mit den Kunden? Haben die sich heute hauptsächlich gefreut, euch zu sehen, oder waren die auch von der CO2-reduzierten Liefermethode begeistert?
„Der Kunde liebt das natürlich. Und es ist eine andere Herangehensweise, als so, wie es normal läuft. Die Leute finden das auch spannend. Was wir hier zwei Tage machen, ist ein bisschen schräg, anders. Ich finde aber eben auch, dass das eine Chance ist, wieder näher an den Kunden zu kommen. Wenn du eine lieblose Lieferfirma hast, die mit ihrem LKW dann die Straßen blockiert, ist das nur so halbschön.“
Die klassische Lieferkette mag beim drüber nachdenken auch so gar nicht zu Moormann passen. Das Unternehmen hat seine Partner und Zulieferer im Umkreis von 30 (dreißig!) Kilometern um den Firmensitz im bayrischen Aschau versammelt. Weite Lieferwege und vielgliedrige Ketten wollen da nicht so recht der Firmenphilosophie entsprechen.
Und warum habt ihr euch für Berlin entschieden? München zum Beispiel wäre für euch geografisch näher.
„Also A, weil wir eine Aktion mit Axel Kufus machen wollten. Das von ihm designte FNP Regal wird 30. Und sein OH-Studio befindet sich hier in den Räumen in Berlin-Tiergarten. Wir haben dann überlegt, was machen wir? Und B war es uns wichtig, dass es nicht nur eine Party ist, die Spaß, Spaß und noch mehr Spaß bringt, sondern die auch einen Denkanstoß gibt. Wir liefern eine Grundidee, die dann weiterentwickelt werden darf.“
Kommen wir nochmal auf das sehr spezielle Lastenrad zusprechen: Wie viele FNP Regale passen denn nun auf euren kleinen Sattelschlepper?
„Das FNP ist ja ein System, da rechnen wir besser in Gewicht und Maßen. Heute haben wir ein sehr, sehr großes Regal ausgeliefert. Das FNP ist lang und schwer. Wir kriegen hier an Länge rein 3,30. Die Bordwand lässt sich hochklappen, das ist superwichtig. Und an Gewicht gehen da um die 400 Kilo rein.“
Schlechte Radwege ins Nirgendwo: “Dit is Berlin”
Solche Maße lassen sich mit diesem speziell entwickelten Fahrrad theoretisch ganz gut durch die Straßen bewegen. Aber wie war das Fahrerlebnis heute in Berlin tatsächlich? Die Berliner Autofahrer sind ja nicht gerade für ihre gute Kinderstube bekannt.
„Mir ist bewusst, dass es im Verkehr in Berlin aggressiv zugeht. Und wuselig und schwierig. Ich habe aber nicht gewusst, dass die Fahrradwege derart katastrophal und schlecht sind. Also spontan einfach aufhören oder voller Schlaglöcher sind. Das war das eine. Tatsächlich waren wir ein bisschen unsicher, ob uns die Polizei mit dem Gerät an die Gurgel geht. Es ist alles abgenommen und verkehrskonform, aber es ist ja trotzdem ein ungewöhnliches Fahrzeug. Aber das war dann überhaupt kein Thema.“
Zum Schluss erzählt uns Nils doch noch von einem Polizeieinsatz, in den sie verwickelt waren. Ein Fußgänger hatte im Vorbeigehen die Seitenplane des Fahrradsattelschleppers mit einem Messer aufgeschlitzt. Niemand wurde verletzt, ein Schreckmoment war es trotzdem. Das ist vielleicht keine gute Werbung für den Radverkehr in der Hauptstadt, aber wie heißt es immer: Ooch dit is Berlin.
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