Die Big Five des Designs sind weniger eine fest definierte Gruppe als eine variable Hitliste der bekanntesten Desiger:innen und Architekt:innen des vergangenen Jahrhunderts. Je nachdem, wen man so fragt, fallen die Antworten unterschiedlich aus. Ein Name wird dabei auf kaum einer Liste fehlen dürfen: Arne Jacobsen. Der berühmte dänische Architekt und Formgeber wäre in diesem Jahr 120 Jahre alt geworden. Anlass genug uns einmal etwas ausführlicher seinem Leben und Wirken zu widmen.
Arne Jacobsen: der Meister der dänischen Moderne
Arne Jacobsen wird am 11. Februar 1902, vier Tage bevor in Berlin die Hoch- und Untergrundbahn eröffnet wird, und im gleichen Jahr wie die Einführung eines Tempolimits in Dänemark von 11.5 km/h. Mit der Industrialisierung im späten 19. Jahrhundert wuchs die dänische Hauptstadt durch starke Zuzugströme aus dem ländlichen Raum rasch an. Rund um den mittelalterlichen Stadtkern entstanden Arbeiter- und Bürgerviertel.
In diese Stadt also wird Arne Jacobsen als Sohn eines Kaufmanns und einer ehemaligen Bankangestellten geboren. 1924 schließt er eine Ausbildung zum Steinmetz an der Schule für Gebrauchskunst (Skolen for Brugskunst) in Kopenhagen ab, bevor er auf Wunsch seines Vaters Architektur an der Königlich Dänischen Kunstakademie (Det Kongelige Danske Kunstakademi) zu studieren beginnt; ein Studium, das Jahrzehnte nach ihm auch Bjarge Ingels, Jørn Utzon und Ole Wanscher dort abschließen werden.
Es ist diese Kombination aus praktischer und künstlerischer Ausbildung, die es Arne Jacobsen während seiner späteren Laufbahn ermöglicht, Gebäude, Inneneinrichtung und eine immense Zahl an Produkten zu entwerfen, die auf elegante Weise Funktion und Ästhetik miteinander verbinden. Nach dem Abschluss seines Architekturstudiums 1927 arbeitet Arne Jacobsen bis 1929 als Assistent im Kopenhagener Architekturbüro von Paul Holsøe.
Seine frühen Arbeiten sind stark von Le Corbusier und Mies van der Rohe, den gefeierten Meistern der Moderne, beeinflusst, eine Tatsache, die sich in späteren Jahren gerade in Aspekten der Funktionalität auch weiterhin in Jacobsens Arbeiten wiederfinden lässt. Er war damit einer der ersten Designer und Architekten, die mit ihren Entwürfen der Modernismus nach Dänemark brachten.
Modern, funktional und futuristisch
Aber nicht nur modern ist seine Formsprache, immer wieder finden sich auch futuristische Elemente in seinen Projekten. Er entwirft 1929 ein kreisrundes Haus für den dänischen Architektenverband, inklusive Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Neben seiner Arbeit als Architekt entwarf Jacobsen ab 1945 Möbel für die serielle Massenfertigung. Erste formgeberischer Erfahrung sammelte er bereits ab 1929, als er zum runden Haus moderne Stahlrohrmöbel entwarf.
Seine größten Erfolge unter den Möbelentwürfen sind der Ant Chair (Myren, 1951/52) und die Stühle der Serie 7 (1955), beide entworfen für Fritz Hansen. Mit dem Unternehmen Fritz Hansen verbindet Arne Jacobsen bis ans Ende seiner Schaffenszeit eine besondere Beziehung. Bereits 1934 beginnt die fruchtbare Zusammenarbeit des Architekten mit der Möbelmanufaktur, als sie den Klampenborg Stuhl herausbringen. Damals kann noch keiner ahnen, welch satte Früchte die gemeinsame Arbeit tragen wird.
Mit den Stühlen der Serie 7 schaffen sie Möbel, die bis heute zu den kommerziell erfolgreichsten Sitzmöbeln überhaupt gehören. Sie bestehen aus einem einteiligen Schalensitz aus gebogenem Verbundsperrholz mit furnierter oder lackierter Oberfläche. Das Prinzip ist schon bekannt von der Ameise, die sich lediglich durch eine andere Form am Übergang zwischen Sitz und Rückenlehne unterscheidet. Standardmäßig sind beide Stühle mit einem dünnen Stahlrohrgestell versehen. Bei der Ameise hatte dieses im Übrigen ursprünglich drei Beine, inzwischen aber stehen Serie / und Ant jeweils auf vier Beinen.
Vom Projektentwurf zur Serienfertigung
Jacobsens Möbel- und Leuchtenentwürfe entstanden oft im Rahmen bestimmter Projekte und gingen erst später in die Serienfertigung. Für sein einem Gesamtkunstwerk am nächsten kommendes Projekt, den SAS Air Terminal und das Royal Hotel Kopenhagen (1956-60) gestaltet er jedes Detail selbst, von den Möbeln und Textilien über die Beleuchtungskörper bis hin zum Besteck. Für die Räume des SAS Royal Hotel schuf Arne Jacobsen auch die berühmten Stühle Egg und Swan, die ihrerseits Zeugnis der zum Teil futuristischen Vorstellungen des Designers sind. Darüber hinaus sind auch die AJ Leuchten für Louis Poulsen Teil der Hotelausstattung.
Bei allem, was Jacobsen schuf, seien es Gebäude, Gebrauchsgegenstände oder Textile Muster, ging er von der Überzeugung aus, dass Gebäude und Produkte gut proportioniert sein müssen, und dass Farbe und Materialien aufeinander abgestimmt sein sollen, damit ein harmonischer, ja optimaler Gesamteindruck entsteht. Der Entwerfer und Architekt verband plastische und organische Formen mit dem traditionellen Merkmal des skandinavischen Designs: der Reinheit von Material und Struktur. Auf diese Weise schuf Arne Jacobsen elegante, auf das Wesentliche reduzierte und funktionelle Designs von erstaunlich zeitloser Schönheit.
Leave A Reply